Es gibt im Freundeskreis meiner Kinder tatsächlich Kids, die gar keine Hobbys haben. Und irgendwie hab ich das Gefühl, die hängen dauernd bei uns rum. Immer nur zu Hause rumhängen ist ja auch etwas langweilig. Und für die Eltern vermutlich auch nicht so lustig. Aber ein Hobby-Sammel-Kind zu haben – so wie ich – ist mitunter echt richtig anstrengend.
Dabei muss ich sagen, dass ich meine Tochter mehr als einmal unterschätzt habe. Als sie mit vier Jahren unbedingt tanzen wollte, war ich überzeugt davon, dass es ihr vor allem der rosa Tutu angetan hatte, und ihre Karriere als Primaballerina von kurzer Dauer sein würde. Heute, zehn Jahre später, hat sie zwar das Genre gewechselt – vom Ballett zum Hiphop – aber sie tanzt immer noch. Und sie hat in all den Jahren auch nie damit aufgehört.
Ehrgeiziger als gedacht
Als ihr Vater und ihr Götti ihr zum neunten Geburtstag nach ewigem «Gstürm» ein Klavier schenkten, war ich ziemlich sicher, dass dieses irgendwann im Keller landen würde – oder auf Ebay. Heute, fünf Jahre später, kommt sie fast täglich von der Schule nach Hause und spielt als allererstes Klavier. Und zwar nicht nur die Stücke, die sie für den Klavierunterricht lernen muss, sondern auch alles, was sie sonst interessiert. Dann sucht sie die Noten im Netz.
Als sie in der vierten Klasse mit Fussball anfing, dann zum Handball wechselte und wieder zurück zum Fussball, dachte ich: «Ha! Im Sport ist sie offenbar nicht so konstant wie in der Musik!» Ihr Fussballclub ist diese Saison von ganz hinten auf den vierten Platz aufgestiegen – und die Matches, die sie verpasst hat, kann ich an einer Hand abzählen – und mit dem Handball-Schulteam wurde sie gar Schweizer Meister.
Enttäuschungen und Erfolge
Als sie vor zwei Jahren mit Gesangsunterricht anfing und plötzlich mit der Idee kam, zu diversen Castings gehen zu wollen, dachte ich, sie würde vielleicht nach den ersten Rückschlägen aufgeben. Ich hätte meine Tochter besser kennen müssen. Es gab die eine oder andere Enttäuschung – zum Glück – aber eben: Es gab und gibt auch immer wieder Erfolge. Die Kinderrolle, die sie in einem Profi-Musical ergatterte, war ein Riesen-Erlebnis für uns alle. Und ein Riesen-Stress. Denn, wie gesagt: das Kind war ja auch ohne diese Rolle nicht hobbylos!
Nun, das Hobby-Sammel-Kind hat sich also entschlossen, sich einer Musical-Truppe anzuschliessen. Und was wäre eine Musical-Truppe ohne Aufführungen? Die Woche ist also geprägt von Klavier- Gesangs- und Tanzstunden, Musicalproben und Fussballtraining. Und das Wochenende von Fussball-Matches und noch mehr Musicalproben. Dazu kommt, dass es ja noch ein Kind gibt. Dieses ist zwar kein Hobby-Sammler wie seine Schwester, aber auch mein Jüngerer spielt Fussball und tanzt Hiphop. Und selbstverständlich sind seine Trainingszeiten andere als die der Älteren. Ein Abendessen en famille oder gar ein gemeinsames Wochenende ist in meinem Haus derzeit eine riesige Herausforderung.
Und jetzt kommts noch besser. Das Kind – also das Hobby-Sammel-Kind – möchte aufs Gymnasium. Und am Mittwochnachmittag einen Vorbereitungskurs besuchen. Wir – also sie, also ich – müssen also die Gesangsstunde verschieben. Nur: Wohin? Zwischen Schule und Gymi-Kurs? Why not, Essen wird sowieso überbewertet. Zwischen Schule und Musicalprobe? Why not, Hausaufgaben auch.
Kinder brauchen auch Freizeit ohne Hobbys
Um es nochmal ganz deutlich zu sagen: All das ist nicht auf meinem Mist gewachsen! Sätze wie «möchtest du nicht tanzen/Klavier spielen/Fussball spielen/singen/die Gymi-Prüfung versuchen?» kamen nie über meine Lippen. Zumal ich finde, dass Kinder auch einfach «hobbylose» Freizeit brauchen, in der sie machen, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Mein Sohn liebt diese Stunden, die er zum Beispiel auf dem Eisfeld mit seinen Kumpels verbringt (beim spontanen Eishockey-Gerangel, nicht bei einem organisierten Training). Meine Tochter konnte immer schon wenig mit sowas anfangen. Einfach mal aufs Eisfeld und schauen, wer da ist und was passiert? Gar nicht ihr Ding. Sie mag es lieber, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort mit bestimmten Leuten bestimmte Dinge zu tun.
Für sie passt das super. Für mich ists manchmal echt anstrengend. Zumal die Proben oder Trainings nicht alle um die Ecke stattfinden – und wer eignet sich besser als Chauffeuse als Mama? In vier Jahren kann sie selbst fahren. Bis dahin erscheint mir die Variante «hobbylos» gar nicht so schlecht – aber bei uns wenig realistisch.