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Der ganz normale Wahnsinn

Geben wir unseren Kindern mehr Zeit für die Zukunft

Der Sohn von Sandra C. beschäftigt sich mit seiner Berufswahl. Das heisst, er hat keine Ahnung, was er werden will. Kein Wunder, sagt unsere Familienbloggerin. Schliesslich gibt die Schule unseren Kindern kaum die Möglichkeit, herauszufinden, was sie eigentlich mögen.

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An angry and depressed male high school student stands in his school lobby with his arms folded.  He looks down and leans against a wall with a sad expression.

Was will ich werden? Viele Teenager tun sich mit dieser Entscheidung schwer. 

Getty Images

«Muss ich denn eigentlich ein KV machen?», fragt mein Sohn vor ein paar Tagen aus dem Blauen heraus. Ich bin total konsterniert. Das Kind kann kaum eine halbe Stunde stillsitzen und mag die Schule ungefähr so gern wie das Aufstehen am Morgen. Wie um alles in der Welt kommt es drauf, dass es eine kaufmännische Ausbildung in irgend einem Büro machen soll?

Einfach mal ein KV machen?

In seinem Freundeskreis gäbe es einige, die genau wissen, was sie werden wollen. Alle anderen sagen, sie wüssten es nicht, und würden dann halt wohl ein KV machen. Ich bin schockiert. Wer redet Buben, die gerade mal dreizehn Jahre alt sind, solchen Mist ein? «Du musst überhaupt kein KV machen», sage ich ihm. «Ja, aber wenn ich doch nicht weiss, was ich machen will.» - «Dann schnupperst du in so viele Berufe wie möglich rein. Vielleicht gefällt dir ja was.» - «Und wenn nicht? Und wenn ich nach der 3. Sek immer noch nicht weiss, was ich machen will?» - «Dann gehst du ins Ausland oder machst ein Sozialjahr oder irgend etwas. Irgendwann läuft dir sicher etwas über den Weg, das dir gefällt.»

«Unser Schulsystem verlangt von unseren Kindern, dass sie Wissen in Dutzenden von Fächern in ihre Köpfe stopfen, ohne ihnen die Gelegenheit zu geben, sich auf etwas zu fokussieren, das sie mögen.»

Nochmal: mein Sohn ist dreizehn. Und steht offenbar schon unter dem Druck, sich für einen Beruf entscheiden zu müssen. Warum machen wir das? Unser Schulsystem verlangt von unseren Kindern, dass sie Wissen in Dutzenden von Fächern in ihre Köpfe stopfen, ohne ihnen die Gelegenheit zu geben, sich auf etwas zu fokussieren, das sie mögen. Gleichzeitig sollen sie spätestens in der achten Klasse, also mit zarten vierzehn Jahren, wissen, was sie für eine Ausbildung machen wollen. Ja wie denn, wenn bisher alles gleich wichtig war – und «alles» schliesst kreative oder soziale Stärken total aus. Wie um alles in der Welt soll mein Sohn beim Englischvokabeln- oder Matheformeln-Auswendiglernen etwas entdecken, das ihm Spass macht? Geschweige denn einen Berufswunsch entwickeln?

Angst, keine «gute» Lehrstelle zu finden

Alles redet von Achtsamkeit und Entschleunigung – aber unser System macht genau das Gegenteil. Unsere Kinder müssen immer früher alles schneller und besser können. Schon wenn in der Primarschule die Noten nicht stimmen, haben wir Angst, dass sie keine «gute» Lehrstelle finden. Und wehe, sie schaffen es nicht in eine Sek A – dann sieht ihre berufliche Zukunft ganz düster aus!

«Ich sage meinen Kindern immer wieder, dass sie alle Zeit der Welt haben, um ihren Weg zu gehen.»

Ich versuche, wenigstens ein bisschen von diesem Druck von meinen Kindern zu nehmen. Dazu gehört auch, dass ich ihnen immer wieder sage, dass sie alle Zeit der Welt haben, um ihren Weg zu gehen. Auch wenn ich weiss, dass es da schon wieder Grenzen gibt, zum Beispiel bei den Altersbeschränkungen bei Gymnasien und Fachmittelschulen. Es gibt halt Schülerinnen und Schüler, die den «Knopf» erst später aufmachen. Dass ihnen dann gewisse Wege verwehrt bleiben, weil sie zu alt sind, finde ich schade. Aber es gibt immer auch Alternativen.

Ein bisschen Entschleunigung für unsere Kinder

Versuchen wir doch, unsere Kinder ein bisschen zu entschleunigen. Nicht nur im Alltag, sondern auch im Hinblick auf ihre Ausbildung. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass mein Sohn nicht auf der Strasse landet, nur weil er kein KV machen will.

Mehr von Familien-Bloggerin Sandra C. lest ihr hier.

 

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 15. Februar 2020 - 17:09 Uhr