Liebe Lehrpersonen
Ich weiss, dass ihr grundsätzlich viel zu wenig Anerkennung bekommt, und die meisten von euch machen ja wirklich einen echt guten Job. Aber es ist eben so: Dankbarkeit und Wertschätzung ist heutzutage in den meisten Berufen nicht gerade an der Tagesordnung, und wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, hats doppelt schwer. Aber ihr habt euch diesen Beruf ausgesucht.
Womit wir beim ersten Punkt wären. Ihr mögts glauben oder nicht, aber Begeisterung ist ansteckend. Wenn ihr selbst das Fach, das ihr unterrichtet, schon leicht blöd findet, wie wollt ihr dann euren Schülerinnen und Schülern irgend etwas darüber beibringen? Mein Kind 1 hat seit ein paar Wochen einen neuen Chemielehrer - und sie liebt das Fach. Aus dem einfachen Grund, weil er so begeistert ist von dieser Materie, dass es eine Freude sei, ihm zuzuhören. Als ich in ihrem Alter war, habe ich das Fach gehasst. Vor allem auch deswegen, weil mein Lehrer in jeder Chemiestunde vollkommen emotionslos irgendwas runterbetete. Für mich hätte er auch das Telefonbuch aufsagen können. Und für sich selbst wohl auch, es hätte keinen Unterschied gemacht.
«Stellt euch mal vor, diese Kinder müssten zu Hause sechs Stunden lang auf einem Stuhl sitzen und irgendjemandem total konzentriert zuhören, ohne dabei mal auszuticken. Unvorstellbar, oder? Genau das verlangen wir in der Schule täglich von unseren Kids.»
Womit wir beim zweiten Punkt wären. Ihr seid Menschen. Und wisst ihr was? Eure Schülerinnen und Schüler wissen das, auch wenn ihrs zu verstecken versucht. Also seid doch zwischendurch ein bisschen menschlich. Man darf lachen, wenn etwas lustig ist. Man darf sich auch mal aufregen. Aber man darf auch nett sein, Das untergräbt eure Autorität nicht, im Gegenteil.
Ich weiss, dass meine Kinder manchmal echt doof tun. Und ich habe kein Problem damit, wenn ihr sie auch mal doof findet. (Ganz ehrlich - das tu ich ab und zu auch). Aber ich finds recht uncool, wenn ihr sie einfach grundsätzlich mal in eine Schublade steckt, weil sie nicht immer ruhig auf ihren Plätzen sitzen und brav zuhören. Nicht alle von euch haben Kinder, aber ihr kennt alle Kinder in eurem privaten Umfeld. Stellt euch mal vor, diese Kinder müssten zu Hause sechs Stunden lang auf einem Stuhl sitzen und irgendjemandem total konzentriert zuhören, ohne dabei mal auszuticken. Unvorstellbar, oder? Genau das verlangen wir in der Schule täglich von unseren Kids.
Also habt ab und zu etwas Nachsicht. Die allerwenigsten Kinder und Jugendlichen sind einfach blöde Goofen, sondern mitunter müde, überfordert, unterfordert. Ich weiss, dass 24 von denen in einem Klassenraum an manchen Tagen der Horror sein können, und dass man nicht auf jedes einzelne eingehen kann. Aber ein bisschen Verständnis kann nicht schaden - dann haben dieses nämlich umgekehrt auch die Kids und wir Eltern.
«Ich gebe als Mutter das Wertvollste, das ich habe, in eure Hände. Ich gebe euch das Recht, meine Kinder Konsequenzen tragen zu lassen, wenn sie sich nicht an Regeln halten. Ich übergebe euch aber auch die Pflicht, dass ihr euch meinen Kindern gegenüber so respektvoll verhält, wie ihr das von ihnen möchtet.»
Last but not least: Ihr seid gegenüber den Kindern in einer Machtposition. Bitte seid euch dessen bewusst und geht umsichtig damit um. Ihr verbringt einen grossen Teil des Tages mit meinen Kindern, und in dieser Zeit gebe ich als Mutter das Wertvollste, das ich habe, in eure Hände. Ich gebe euch das Recht, meine Kinder Konsequenzen tragen zu lassen, wenn sie sich nicht an Regeln halten. Ich übergebe euch aber auch die Pflicht, dass ihr euch meinen Kindern gegenüber so respektvoll verhält, wie ihr das von ihnen möchtet. Ich möchte, dass ihr in einem angemessenen und anständigen Ton mit meinen Kindern sprecht, so wie ihr das umgekehrt auch von ihnen verlangt. Ich möchte nicht, dass meinen Kindern gedroht wird. Ich möchte nicht, dass meine Kinder vor der ganzen Klasse niedergemacht werden. Denn so etwas ist kein Zeichen von Stärke, sondern eins von Schwäche.
Die Lehrpersonen, die meine Kinder - und ich im Übrigen auch - während der letzten zehn Jahre die besten fanden, waren alle relativ streng. Aber sie waren (und sind) menschlich, freundlich und vor allem lieben sie ihren Beruf. Glauben Sie mir, wenn man Ihnen letzteres anmerkt, verzeihen Ihnen die Kinder sehr viel. Und wir Eltern auch.