Ich bin diese Woche Strohkindwitwe. (Tolles Wort, oder? In der Einzahl. Wären beide Kinder weg, wärs Strohkinderwitwe. Hat das eigentlich schon mal jemand vor mir erfunden?) Meine Tochter ist im Klassenlager, mein Sohn also für eine Woche Einzelkind. Und ich Einzelkind-Mutter. So sehr ich es liebe, zwei von diesen Monstern zu haben, so gross sind die Vorteile, wenn für eine Weile nur eines da ist:
Unbestritten ist der finanzielle Aspekt. Natürlich kostet das Klassenlager auch, aber der Wocheneinkauf reduziert sich gerade mal um einen Viertel. Und auswärts essen ist diese Woche auch günstiger. Machen wir also grad zwei oder drei mal, damit sichs lohnt.
Ich muss nur einen Stunden- und Wochenplan im Kopf haben. Mittag- und vor allem Abendessen sind viel besser planbar, weil nicht ein Kind um 18 Uhr vom Training kommt und schon Hunger hat, während das zweite erst um 18.30 Uhr Training und jetzt keine Zeit zum Essen hat.
Der Stress am Morgen vermindert sich deutlich. Zum einen muss ich nur für ein Kind aufstehen – glücklicherweise für das, das meist später Schule hat als das andere. Und für das, das «Guten Morgen» sagt und nicht bloss angewidert irgendwelche Buchstaben knurrt. Und für das, das «ich bin bereit» tatsächlich heisst «ich bin bereit» und nicht «ich bin bereit, muss mir nur noch die Haare kämmen, irgendwelches Zeug ins Gesicht schmieren, das T-Shirt wechseln, die Sporttasche packen und die Schuhe anziehen. Was, wir kommen zu spät? Hättest halt früher was sagen müssen.»
«Kein Kind, das sich gefühlte zwölf mal pro Tag umzieht. Dafür eines, das drei Tage lang das gleiche Shirt trägt.»
Der Wäscheberg halbiert sich. Kein Kind, das sich gefühlte zwölf mal pro Tag umzieht. Dafür eines, das drei Tage lang das gleiche Shirt trägt. Auf diesem ist dann praktischerweise auch zu sehen, was es die letzten 72 Stunden gegessen hat, so dass ich nicht aus Versehen zwei mal das gleiche koche, was jeweils mit sehr bösen Blicken und Bemerkungen quittiert wird. A propos: nur ein Kind, welches das Essen seziert, ist nicht ganz so schlimm fürs kulinarische Selbstbewusstsein wie zwei.
Es gibt keine Diskussionen ums Ausmisten des Kaninchenstalls. Dachte ich auf jeden Fall. «Warum muss ich das jetzt allein machen?» - «Weil deine Schwester nicht hier ist.» - «Aber das ist unfair!» - «Tja, das Leben ist nicht immer fair. In spätestens zwei Jahren bist du im Klassenlager, dann muss sie allein misten.» - «Zwei Jahre? Das geht ja noch ewig!»
Das Kind, das nicht so oft von sich erzählt wie das andere, kommt auch mal zu Wort. Gut, sobald ich eine Frage stelle rollt es genervt die Augen und kommt regelmässig zum Schluss, dass Diskussionen mit seiner ahnungslosen Mutter echt wenig bringen. Im Gegensatz zu seiner Schwester. Mit ihr kann er stundenlang über eben das Zeug quatschen, von dem ich keine Ahnung habe.
Und das vermisse ich. Denn so bekomme ich auch mal was aus seinem Leben mit. Irgendwie scheint nur seine Schwester das aus ihm rauskitzeln zu können. Und auch wenns viel ruhiger ist, wenn er allein «Fifa» zockt – wenn sies zu zweit tun, ist es lustiger. Und auch auswärts essen macht weniger Spass. Denn ihr Gekichere ist doch angenehmer als sein Gemotze, weil er gelangweilt ist (dazu muss gesagt werden, dass er momentan kein eigenes Handy hat. Ist halt so, wenn man das Ding immer wieder mal fallen lässt…).
«Zwei Kinder, die munter durcheinanderquasseln ist besser als eines, das dich anmotzt.»
Auch wenns ganz nett ist, mal nur eines zu haben – es ist doch schön, wenn sie dann wieder zu zweit sind. Denn auch zwei Kinder, denen dein Essen ausnahmsweise mal schmeckt, sind besser als eins. Und zwei Kinder, die munter durcheinanderquasseln ist besser als eines, das dich anmotzt. Und zwei Kinder, die – wenn auch minimal – im Haushalt helfen, sind besser als eins. Und zwei Gutenachtküsse sind besser als einer.