1656 Kinder, die – in 80 Prozent der Fälle in den eigenen vier Wänden – spitalreif geprügelt wurden. Fünf Kinder sind 2021 in Schweizer Kinderkliniken an den Folgen körperlicher Misshandlung gestorben. Und das sind nur die offiziell gemeldeten Fälle. Insgesamt geht man davon aus, dass in der Schweiz etwa 130’000 Kinder regelmässig geschlagen werden. Von seelischer Gewalt – also Dingen wie erniedrigen, einsperren oder drohen – ist laut Kinderschutz Schweiz gar jedes vierte Kind betroffen.
Dies ist – man höre und staune – total legal. Das Recht, die eigenen Kinder zu züchtigen, wurde zwar 1978 abgeschafft. Ein entsprechendes Verbot, wie in den meisten Ländern Europas, gibt es aber in der Schweiz nicht. Zwar müssen gravierende Fälle (ab wann genau ist ein Fall gravierend?) gemeldet werden und werden auch bestraft. Aber ob man seinen Kindern mal eins knallt oder sie stundenlang in ihre Zimmer einsperrt, ist hierzulande totale Privatsache. Da sieht der Staat genauso gern weg wie die Nachbarschaft. Und wenn ich meiner Nachbarin eine Ohrfeige verpasse, mache ich mich auf der Stelle strafbar. Wenn ich dasselbe mit meinem Kind tue, nicht. Gemäss einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW haben 63 Prozent der Schweizer Jugendlichen in ihrer Kindheit mindestens einmal physische Gewalt erlebt. Bei ihren Altersgenossen in Deutschland oder Österreich sind es nur gut 40 Prozent.
«Schweizer Eltern tun es aber häufiger. Ganz nach dem hierzulande beliebten Motto: «Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet».»
Und allen, die jetzt «Ausländer» brüllen, sei gesagt: Ja, gemäss besagter Studie schlagen Eltern mit Migrationshintergrund fester zu, so dass die Kinder öfter gravierende Verletzungen davontragen. Schweizer Eltern tun es aber häufiger. Ganz nach dem hierzulande beliebten Motto: «Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet». Hat sie eben doch. Nicht nur dem Kind, sondern auch den Eltern. Je älter sie werden, desto wichtiger werden zwei Dinge, damit das Zusammenleben von Eltern und Kindern funktioniert: Liebe und Vertrauen. Wenn da nur einmal – geschweige denn regelmässig – körperliche oder seelische Gewalt vorgekommen ist, ist dieses Verhältnis nachhaltig gestört.
Ich habe mittlerweile fast 18 Jahre Erfahrung in der Kindererziehung. Und ich habe beileibe nicht alles richtig gemacht. Im Gegenteil. Meine Erziehungsfehler würden wahrscheinlich ein Buch füllen. Aber eines war und ist für mich immer klar: Gewalt, ob körperlich oder seelisch, hat in der Erziehung nichts zu suchen. Und ich finde, es wäre an der Zeit, dass unser Staat da mal ein Zeichen setzt, und Gewalt an Kindern explizit verbietet, egal von wem, egal wie diese aussieht. Wie gesagt: 1656 spitalreif geschlagene Kinder sind 1656 zu viele!