Ich hab da so ein neues «Ding». (Ich weiss nicht, wie ich das nennen soll. Hobby wäre der falsche Ausdruck, aber es geht in die Richtung). Ich ziehe mir auf TikTok Clips von Frauen rein, die unter dem Hashtag «Midsize» zeigen, wie toll man in Klamotten in Kleidergrössen ab 40 aussehen kann. Ich staune, finde, die sehen wirklich grossartig aus, stelle mich voll motiviert vor den Spiegel – und könnte losheulen.
Mein Körper hat sich in den vergangenen zwei Jahren – Alter und Wechseljahren sei Dank – so schnell ausgedehnt, dass ich langsam Schiss vor dem «Big Crunch» bekomme. (Man geht davon aus, dass das Universum im Laufe der Zeit immer schneller expandiert, was irgendwann zu einer Art umgekehrtem Urknall, dem «Big Crunch» führen könnte, und es dann einfach verschwindet.) Nun, was mich angeht bin ich noch präsent. Und zwar so sehr, dass mir die meisten kurzen Hosen von vergangenem Sommer nicht mal mehr über die Hüften reichen. Ohne, dass ich seither etwas an meiner Ernährung oder meinem Verhalten geändert habe.
Ich versuchs ja mit dieser Body Positivity. Aber mein Spiegel verpasst mir jedes Mal, wenn ich davorstehe und mir sagen will, dass ich voll gut bin, so wie ich bin, einen fetten (!) linken Haken und schreit: «Schon wieder eine Kleidergrösse mehr.» Vielleicht sollte man einfach Spiegel abschaffen. Die haben viel zu viel Macht über uns. Als ich kürzlich meinen Sohn fragte, warum es ihm so wichtig sei, einen trainierten Körper zu haben, sagte er: «Weils im Spiegel einfach geiler aussieht.»
«Den Kids vorzuleben, dass eine Kleidergrösse wichtiger ist als ein Teller Spaghetti, war dämlich»
Ich frage mich unwillkürlich, wie viel ich mit dieser Aussage von ihm zu tun habe. Ich habe niemals die Körper meiner Kinder kommentiert, geschweige denn, sie kritisiert. Aber ich muss zugeben, dass mein Verhältnis zu meinem eigenen Körper nie wirklich entspannt war. Ich bin nicht von Natur aus mit einem schlanken Body gesegnet, sondern habe mir meine Kleidergrösse 36, die ich jahrelang trug, mit Disziplin «errungen». Das war in jüngeren Jahren kein riesiger Aufwand. Trotzdem haben meine Kinder natürlich mitbekommen, dass ich, sobald mir ein Kleidungsstück nicht mehr passte, stärkehaltige Lebensmittel rigoros von meinem (nicht von ihrem!) Speiseplan strich. Auch wenn meine Kids noch nie im Leben eine Diät gemacht haben (worum ich froh bin) – ihnen vorzuleben, dass eine Kleidergrösse wichtiger ist als ein Teller Spaghetti, war ja doch irgendwie dämlich.
Jetzt, mit 47, wäre ich eigentlich in einem Alter, in dem mir sehr vieles sehr viel egaler sein sollte, als es ist. Angefangen bei der Kleidergrösse. Es ist doch total wurst, was da für eine Zahl steht (Lustigerweise habe ich dieses Zahlen-Problem mit der Waage nicht, ich besitze nicht mal eine.) Ich sollte doch einfach meinem Körper das geben, was ihm guttut – ausgewogene Ernährung, Bewegung, und auch mal einen Burger und ein Glas Wein – und mich um den Rest foutieren. Und nicht mehr so oft in den Spiegel schauen. Auch wenn das vielleicht nicht ganz das ist, was man unter Body Positivity versteht. Aber irgendwo muss man ja anfangen.