Elf Jahre ist es jetzt her. Ich seh sie noch vor mir, wie sie die Strasse runterzotteln, Kind 1 mit dem brandneuen Schulthek, Kind 2 mit dem Piraten-Kindergartentäschli. Beide hatten tags zuvor ein Meltdown. Kind 1, weil es noch nicht lesen konnte – ich brauchte sicher eine Stunde, bis ich ihm glaubhaft versichert hatte, dass es in die Schule gehe, um lesen zu lernen, und nicht, um es schon zu können. Und Kind 2 stand heulend vor dem Spiegel: «Mit däm Chinzgitäschli gseh ich scheisse us!»
Elf Jahre, zwei Kinder, zwei mal neun Schuljahre voller Höhen und Tiefen. Jetzt sind wir durch, zumindest was die obligatorische Schulzeit angeht. Ich bin nicht sicher, wer mehr erleichtert ist darüber, Kind 2 oder ich. Selbst wenn man ein problemloses Schulkind hat, wie mein Kind 1 es war, ist die Schule anstrengend, auch für Eltern. Da gibts nichts schönzureden. Dauernd gibts was zu organisieren, man denkt ständig für die Kinder mit und hat immer gefühlte tausend Dinge im Kopf, während man vorher nur die Kinder zur richtigen Zeit in die Kita bringen musste und hin und wieder mal ein Playdate organisieren.
«Wir wurstelten uns irgendwie durch, er und ich, und stiessen dabei mal auf mehr, mal auf weniger Verständnis von Lehrerinnen und Lehrern. Für mich war es dabei immer ein Abwägen, wann ich nun Zeit und Nerven investieren sollte und wann nicht.»
Noch schwieriger wirds, wenn man ein Kind wie Kind 2 hat. Mein Sohn und Schule, das war von Anfang an nicht die grosse Liebe. Hausaufgaben endeten immer wieder mal mit einem Wutanfall, und ausser Sport konnte er keinem Fach richtig viel abgewinnen. Dafür war er stets an vorderster Front, wenns darum ging, irgendwelche Streiche zu spielen.
Wir wurstelten uns irgendwie durch, er und ich, und stiessen dabei mal auf mehr, mal auf weniger Verständnis von Lehrerinnen und Lehrern. Für mich war es dabei immer ein Abwägen, wann ich nun Zeit und Nerven investieren sollte und wann nicht. Ich fand und finde Strafaufgaben total sinnlos, aber jedes mal, wenn Kind 2 wieder eine mit nach Hause brachte, eine Grundsatzdiskussion zu führen, hatte ich einfach keine Lust. Kind 1 hat übrigens nur ein einziges Mal eine Strafaufgabe erhalten. Sie rief einem Klassenkameraden, der an der Wandtafel Blut und Wasser beim Lösen einer Aufgabe schwitzte, zu: «Houston, wir haben ein Problem. Zu wenig Talent.» Auch wenn ich es schade fand, dass so viel geistreiche Ironie bestraft wurde, musste ich ihm eben auch sagen: Das war witzig. Aber ein Schulgspänli vor der ganzen Klasse so bloss zu stellen ist nicht okay.
Egal, ob euer Kind ein schulischer Selbstläufer ist oder ein Troublemaker, die Schulzeit ist anspruchsvoll für uns Eltern. Mein allerwichtigster Tipp nach elfjähriger Erfahrung: Distanz wahren. Euer Kind muss seinen Alltag in der Schule leben, nicht ihr. Das bedeutet nicht, dass ihr kein Interesse zeigen sollt, im Gegenteil. Aber das Kind muss die Erfahrung machen, dass man mit gewissen Gegebenheiten (oder Lehrerinnen) einfach leben muss, und dass man für gewisse Dinge gerade stehen und die Konsequenzen tragen muss (zum Beispiel wenn man beim Schülerturnier in der Garderobe die Schuhe der Gegner mit Wasser füllt). Und wir Eltern müssen lernen, uns zurückzunehmen. Je früher wir das tun, desto besser für unser Kind – und für unsere Nerven.