Als mein erstes Kind vor über 18 Jahren zur Welt kam, war die allgemeine Devise klar: Kinder haben im Elternschlafzimmer nichts zu suchen, ausser in aussergewöhnlichen Situationen, zum Beispiel wenn sie krank sind oder von Alpträumen geplagt werden. Ich habe dies, wie so vieles anderes auch, nicht hinterfragt. Schliesslich wollte ich mein Kind nicht verwöhnen und zu einem total unselbstständigen Wesen heranziehen.
Einschlafen war eine Tortur
So legte ich meine Tochter als Baby abends jeweils pro forma in ihrem Zimmer in ihr Bettchen, holte sie zum ersten Stillen in der Nacht zu mir und liess sie da bis am Morgen, weil ich viel zu müde war, um noch ein, zwei oder dreimal aufzustehen. Und am Morgen plagte mich jeweils das schlechte Gewissen, weil man das doch nicht sollte.
Als ich mit dem zweiten Kind schwanger war, zogen wir um, und ich wagte einen neuen Versuch, Kind 1 das Schlafen in seinem Zimmer abzugewöhnen. Es war eine Tortur. Das Kind hatte Panik vor der Dunkelheit, allein einschlafen war unmöglich. Ich lag stundenlang, mit wachsendem Babybauch, bei ihr in ihrem Kinderbettchen, bis sie endlich eingeschlafen war. Irgendwann in der Nacht kam sie dann doch ins Elternbett – ja, jede Nacht – und ich war, total fertig und immer schwangerer, einfach viel zu müde, um sie zurück zu bringen. Ihr Vater zog dann immer öfter aufs Sofa, wenns mit Babybauch und Kleinkind zu eng wurde.
«Mein schlechtes Gewissen war gigantisch, ich dachte, meine Kinder würden nie im Leben auch nur halbwegs selbstständig.»
Als Kind 2 dann da war, tat ich mir das mit dem alle paar Stunden zum Stillen aufstehen in der Nacht gar nicht erst an, und liess meinen Sohn gleich bei mir schlafen. Was natürlich zur Folge hatte, dass auch Kind 1 gar nicht mehr in seinem eigenen Zimmer schlief. Mein schlechtes Gewissen war gigantisch, ich dachte, meine Kinder würden nie im Leben auch nur halbwegs selbstständig, aber ich hatte einfach nicht die Nerven für das Drama, das eine nächtliche «Umsiedelung» jeweils mit sich gebracht hätte.
Schlafen im Elternbett stärkt das Urvertrauen
Hätte es doch damals nur schon die Studien gegeben, die es heute gibt. Die sagen nämlich zum Beispiel, dass Babys und Kleinkinder ihren Schlafrhythmus den Eltern anpassen, wenn sie mit ihnen zusammen schlafen. Will heissen, sie schlafen besser ein und schneller durch. Und das gemeinsame Schlafen stärkt nicht nur die Bindung zwischen Eltern und Kindern, sondern stärkt auch ihr Urvertrauen. Dies fördert wiederum die Selbstständigkeit, denn Kinder, die wissen, dass sie immer auf die Eltern vertrauen können, haben weniger Probleme damit, auf eigene Faust die Welt zu entdecken. Diese Studien besagen also das genaue Gegenteil von der Behauptung, das Schlafen im Elternbett fördere die Unselbstständigkeit von Kindern.
Meine Kinder sind übrigens irgendwann zwischen Kindergarten und Primarschule von sich aus aus dem Elternschlafzimmer «ausgezogen». Ganz ohne Drama. Hätte ich das früher geahnt, hätte ich mir ganz viel schlechtes Gewissen erspart.