Wir haben alle in den vergangenen Tagen geschmunzelt, wenn in der Berichterstattung über das Frauenstimmrecht Bilder von damals über den TV-Bildschirm flimmerten, auf denen Frauen zu Protokoll gaben, sie würden nichts vom Frauenstimmrecht halten, Politik sei doch Männersache. Dabei ist das eigentlich überhaupt nicht zum Lachen. War es weder damals noch ist es heute.
Denn solche Stimmen zeigen eines ganz deutlich: Das Patriarchat lebte immer unter anderem von der Unterstützung von uns Frauen. Und wenn Frauen einander gegenseitig auch heute noch in einer Art Glaubenskrieg bekämpfen, wenn es um Feminismus geht, zeigt das: Das Patriarchat kann noch immer auf die Unterstützung von uns Frauen zählen.
«Männer haben mich übergangen, nicht ernst genommen oder sexualisiert. Aber gnadenlos offen angegriffen wurde ich immer nur von Frauen.»
Ich habe mittlerweile fast siebzehn Jahre Erfahrung als berufstätige Mutter. In dieser Zeit habe ich mir einiges anhören müssen und einige unschöne Erfahrungen gemacht. Männer haben mich übergangen, nicht ernst genommen oder sexualisiert. Aber gnadenlos offen angegriffen wurde ich immer nur von Frauen.
Nur schon die Frage, wieviel Prozent ich denn arbeite, hätte man einem Mann nie gestellt. Und auch die Bemerkung auf meine Antwort (80 Prozent) hin – «ist auch noch viel» - wäre so nie gefallen, hätte ich ein X- und ein Y-Chromosom. Und sie kamen immer von Frauen. Wie oft habe ich gehört, ich hätte auch noch Glück, dass ich einen Partner habe, der sich so toll in die Erziehung der Kinder einbringe? Unzählige Male. Ausschliesslich von Frauen. Wie oft hat er gehört, er habe doch ein Riesenglück, dass seine Partnerin auch Kohle verdiene, und zwar mehr als einen Zustupf für den Coiffeur? Nie. Von niemandem.
«Auch auf der geschäftlichen Seite gab es öfter mal «Nettigkeiten». «Schon fertig gearbeitet? Ahja, klar, die Krippe. Können wir Kinderlosen halt nicht als Ausrede brauchen, gell.» Ja, von Frauen.»
Dann war da noch die Mutter, die meine Tochter nach dem Kindergarten mit zu sich nach Hause nahm – weil sie «dachte, du bist ja eh nie daheim.» Oder die Kindergärtnerin, die meinte, mein Sohn «wäre vielleicht ein bisschen normaler, wenn Sie weniger arbeiten würden.» Aber auch auf der geschäftlichen Seite gab es öfter mal «Nettigkeiten». «Schon fertig gearbeitet? Ahja, klar, die Krippe. Können wir Kinderlosen halt nicht als Ausrede brauchen, gell.» Ja, von Frauen.
Besonders schön war auch ein Gespräch, in dem mir mitgeteilt wurde, ich müsse nie nach einer Lohn-Erhöhung fragen, als zweifache Mutter könne ich froh sein, überhaupt einen Job zu haben. Und ja, auch das kam von einer Frau.
Liebe Frauen, wir müssen reden. Was soll das? Warum machen wir das? Warum unterstützen wir einander nicht gegenseitig, auch wenn wir nicht den gleichen Alltag bevorzugen? Das gilt im Übrigen umgekehrt auch für Frauen, die verachtende Bemerkungen über Frauen machen, die sich entschieden haben, zu hundert Prozent ihre Familie zu managen.
«Liebe Frauen, ist euch nicht bewusst, dass sowohl das Patriarchat als auch der Sexismus in unserer Gesellschaft nur wegen uns so lange überlebt haben – weltweit?»
Als es vor fünfzig Jahren ums Stimmrecht ging, waren die Frauen zu hundert Prozent vom Goodwill der Männer abhängig. Heute sind wir das nicht mehr. Und trotzdem scheitern unzählige Abstimmungen, in denen es ums wohl von uns Frauen geht – zum Beispiel alles, was mit Vereinbarkeit zu tun hat – immer wieder an der Urne. Warum? Warum können wir Frauen einander gegenseitig nicht unser eigenes Leben und unser eigenes Glück zugestehen, und einander dabei darin unterstützen, dass uns möglichst viele Wahl-Möglichkeiten offenstehen? Da fällt uns doch kein Zacken aus der Krone.
Liebe Frauen, ist euch nicht bewusst, dass sowohl das Patriarchat als auch der Sexismus in unserer Gesellschaft nur wegen uns so lange überlebt haben – weltweit? Es gibt Gemeinschaften auf dieser Erde, in denen Mädchen auf brutalste Art und Weise beschnitten werden, um sie schon in jüngsten Jahren ihrer Sexualität zu berauben. Durchgeführt werden diese Beschneidungen nicht von Männern – sondern von ihren eigenen Müttern, Grossmüttern, Tanten, Cousinen. Und jetzt stellt euch vor, all diese Frauen würden einfach mal zusammenstehen und sagen: «Wir hören jetzt auf mit dem Seich.» Was für eine Chance hätten die Männer? Keine.
«Wenn man die Privilegien von anderen ändern will, darf man nicht darauf hoffen, dass diese sie freiwillig aufgeben. Man muss aufhören, sie zu unterstützen.»
Liebe Frauen, stellt euch doch mal vor, wir würden einfach alle mal zusammenhalten. Stellt euch mal vor, jede von uns würde einfach mal Ja stimmen, wenns ums Thema Vereinbarkeit geht, auch wenn wir selbst keine bezahlbaren Krippenplätze brauchen.
Stellt euch mal vor, jede von uns würde dem Arbeitskollegen, der die Praktikantin angrabscht, einfach mal eins auf die Finger hauen, statt stillschweigend froh zu sein, dass es einen selbst nicht getroffen hat und der Praktikantin nahezulegen, nicht so einen kurzen Rock zu tragen. Stellt euch mal vor, wir würden uns über jede erfolgreiche Frau in unserer Firma freuen, statt hintenrum zu tratschen und Angst um unsere eigene Position zu haben.
Wer etwas ändern will, muss immer bei sich selbst anfangen. Und wenn man die Privilegien von anderen ändern will, darf man nicht darauf hoffen, dass diese sie freiwillig aufgeben. Man muss aufhören, sie zu unterstützen. Liebe Frauen, stellt euch mal vor, wir würden einfach mal – alle gemeinsam – aufhören, stillschweigend Patriarchat und Sexismus zu akzeptieren. Stellt euch mal vor, wir würden alle gemeinsam unsere Stimme erheben. Stellt euch mal vor, wir würden einander gegenseitig unterstützen statt einander zu zerfleischen. Liebe Frauen, stellt euch mal vor, was wir erreichen könnten!
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