«Eigentlich» ist ein Wort, das es eigentlich nicht geben dürfte. Entweder, die Dinge sind so, oder sie sind es nicht. Aber gerade im Zusammenleben mit Kindern ist «eigentlich» vermutlich eines der meist gebrauchten Worte überhaupt. Man kann noch so viele Regeln aufstellen, die Kinder wissen genau, wie man sie elegant umgeht. Zumindest meine.
Zum Beispiel, wenns ums Geld geht. Die Regeln sind klar. Kind 1 bekommt dreihundert Franken pro Monat. Zweihundert davon sind fürs Mittagessen an der Schule gedacht. Von mir bezahlt werden ÖV-Abos, Handyrechnung, Schulmaterial, Kleider und Schuhe, die das Kind wirklich braucht (Socken, Winterjacke, Turnschuhe) und natürlich gemeinsame Ausflüge, Unternehmungen und Ferien. Will Kind 1 abends auswärts essen, gilt folgendes: Bin ich zu Hause und es gibt Znacht, zahlt es selbst. Gibt es kein Abendessen daheim wird ein Beitrag von 20 Franken von mir übernommen.
«Das Kind hat mich verarscht, soviel ist klar. Und es kommt damit durch, soviel ist auch klar.»
Tja - dass es hier jede Menge Interpreatationsspielraum gibt, ist offensichtlich. Wieviele Schuhe braucht eine 17-Jährige? Und wie erklärt man als Mutter dem Kind, dass man selbst sicher auch mit drei Paar Schuhen zurecht käme, aber das nicht muss, weil man die geschätzten fünfzig Paar, die man besitzt, alle selbst bezahlt hat? Und wenn das Kind für die Ferien gerade mal ein T-Shirt eingepackt hat, welches die Spaghetti am ersten Abend nicht im Originalzustand überlebt - welche Regel gilt dann für Notfall-Shirts, die man kaufen muss? Und wenn das Kind auf meine Frage, ob es zum Znacht zu Hause sei, «weiss nicht» antwortet, worauf ich nichts koche, weil das andere Kind auch nicht da ist, und sich das Kind selbstverständlich vom Delivery Service Pizza auf meine Rechnung kommen lässt, weil es ja keinen Znacht gibt, und in demfall ich zahlen muss - was dann, Hohes Gericht? Das Kind hat mich verarscht, soviel ist klar. Und es kommt damit durch, soviel ist auch klar.
Denn hier kommt das Wort «eigentlich» ins Spiel. Eigentlich sind die Regeln klar. In der Realität halten mich meine Kinder für so eine Art privaten Bankomaten. Einen, bei dem man nicht mal eigenes Geld auf dem Konto haben muss,notabene. Man kann sich dieses Paar Sneaker, das man unbedingt haben muss (und das Mama trotz aller Überzeugungsversuche nicht als Must eingestuft hat) eigentlich nicht leisten, weil man am Abend noch unbedingt mit Freundinnen Sushi essen gehen muss? Man kauft es sich trotzdem. Dann geht man mit den Freundinnen Sushi essen und hat zwei Möglichkeiten: Man leiht das fehlende Geld von einer Freundin und am nächsten Tag von Mama, um es zurückzugeben. Sie kanns ja dann vom Taschengeld abziehen. Eigentlich. Oder man ruft Mama vom Restaurant aus verzweifelt an: «Ich hab zu wenig Geld, kannst dus twinten? Du kriegst es zurück.» Eigentlich.
Das Beste ist: Kind 1 kocht sich jeweils zu Hause sein Zmittag vor und nimmts mit. Es braucht also keinen Rappen fürs Mittagessen. Und ist trotzdem ständig pleite. Ich sollte wohl mal über eine Anpassung des Sackgeldes an die realen Umstände nachdenken. Eigentlich.