Als ich meinen hauseigenen Teenagern mitteile, dass wir diesen Sommer Ferien in der Schweiz machen, starren sie mich mit einem Gesichtsausdruck an wie jeweils die Kaninchen, wenn sie merken, dass es nichts zu fressen gibt.
«Und woran hast du gedacht?», fragt Kind 1 schliesslich vorsichtig. «Ich weiss es nicht. Wallis? Ihr seid noch nie im Wallis gewesen!» Schon als ich es sage, merke ich, dass es nicht stimmt. Ich könnte mir die Zunge abbeissen. Und ihr Blick verrät, dass sie es nicht vergessen haben.
Also gut, sie waren schon mal im Wallis. Vor zwei Jahren hab ich sie mitgeschleppt auf eine Wander-Reportage. Ich hab ihnen gesagt, die Strecke sei total easy und das Essen in dieser SAC-Hütte der Hammer.
Auf dem Weg bekam Kind 1 Magenkrämpfe und legte sich schliesslich auch noch der Länge nach in einen dreckigen Bach, worauf sie den steilen Anstieg zur Hütte patschnass und verdreckt in Angriff nahm. Die lauwarmen Tomatenspaghetti dort schmeckten nach nicht viel. Und auf dem Heimweg hab ich das Auto geschrottet.
«Wie oft bin ich als Kind missmutig hinter meinen Eltern hergetrottet, in der vagen Hoffnung, dass wenigstens irgendwann ein Glacé drinliegt.»
Ich sehe, die Erinnerungen sind noch zu präsent. Es ist noch zu früh fürs Wallis. Engadin? «Was gibts da?», fragt Kind 2. «Berge, Gletscher, Seen ...» – «Kann ich auf dem Gletscher biken?» – «Ich fürchte nicht ...» – «Dann will ich da nicht hin. Sonst müssen wir nur wieder stundenlang in den Bergen rumlatschen. Das ist langweilig.»
Ich verstehe ihn ja. Wie oft bin ich als Kind missmutig hinter meinen Eltern hergetrottet, in der vagen Hoffnung, dass wenigstens irgendwann mal ein Glacé drinliegt. Die Hoffnung wurde öfter enttäuscht, denn mein Vater war kein grosser Fan von offiziellen Wanderwegen.
Wir liefen über Wiesen und Geröllhalden, kletterten über Zäune – er nannte das jeweils Abkürzung – und landeten früher oder später mit relativ grosser Sicherheit irgendwo, wos nicht mehr weiterging. Wenn wir dann umdrehten und den gleichen Weg wieder zurückgingen, schimpfte auch meine Mutter wie ein Rohrspatz.
Trotzdem gehören diese Ausflüge heute zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen. Der Geruch von Rauch und Feuer, der erste Biss in die aussen verbrannte und innen noch kalte Cervelat am selbst zugespitzten Stock. Das Murmeln einer Quelle, das Gefühl des eiskalten Wassers im verschwitzten Gesicht.
«Erinnert ihr euch nicht mehr an den Murmeliweg?», frage ich meinen Nachwuchs hoffnungsvoll. Kind 1 liebte diesen Erlebnis-Wanderweg in Lenk, als sie ein kleines Mädchen war. «Wo man in die Höhle reinging und es ging das Licht an und da war eine Horde ausgestopfter Murmeltiere?» – «Ja, genau», rufe ich freudig. «Ich hatte Panik!»
«Irgendwo auf diesem Weg hab ich den Kinderwagen von Kind 2 geschrottet und musste das Baby den ganzen Weg nach Hause tragen.»
Stimmt. Hab ich irgendwie verdrängt. Und irgendwo auf diesem Weg hab ich den Kinderwagen von Kind 2 geschrottet und musste das Baby den ganzen Weg nach Hause tragen.
«Wo wollt ihr denn hin?», frage ich. «Nach Italien ans Meer», sagt Kind 1 wie aus der Pistole geschossen. «Oh – erinnerst du dich an den Seeigel?», frage ich. Ha! Eins zu null für mich!
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