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Der ganz normale Wahnsinn

Gesunder Menschenverstand statt Prinzipien

In einem Interview nennt die deutsche Autorin Susanne Fröhlich «die Mütter von heute eine Katastrophe». Unsere Familienbloggerin fühlt sich – mal wieder – angesprochen, denn sie hat schon öfter gehört, sie verwöhne ihre Kinder. Dabei setzt sie einfach lieber auf gesunden Menschenverstand statt auf Prinzipienreiterei, sowohl im Leben als auch in der Kindererziehung.

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Sandra Casalini Blog der ganz normale Wahnsinn

Klar können sich ihre Kinder mittlerweile selbst Zmorge machen. Aber unsere Familienbloggerin tut ihnen auch gern mal einen Gefallen – das heisst nicht, dass sie vollkommen unselbstständig sind.

Lucia Hunziker

«Halte den Kopf hoch, und den Mittelfinger höher», heisst das neue Buch der deutschen Journalistin und Autorin Susanne Fröhlich. Ein Ratgeber, der Frauen zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen soll, und umgehend auf den Bestsellerlisten landete. Ich muss gestehen, dass ich es nicht gelesen habe, da mich Ratgeber grundsätzlich langweilen, aber gegen mehr weibliches Selbstvertrauen spricht überhaupt nichts. Auch nicht, wenns um Kindererziehung geht, welche in dem Buch ebenfalls zur Sprache kommt.

In einem Interview zum Buch gibt Frau Fröhlich zu Protokoll, dass sie «die Mütter von heute» für «eine Katastrophe» hält. Sie würden den Kindern alles abnehmen und sie so zur Unselbstständigkeit erziehen. Im Gegensatz dazu beschreibt sie sich selbst als «robuste Mutter», welche für eine «Verknappung der Dienstleistungen» plädiert. Sprich, sie hat ihre Kinder nie zur Schule gefahren und sobald sie eigenes Geld verdienten, mussten sie ihre Rechnungen selbst bezahlen.

Ich bin eine dieser katastrophalen Mütter

Tja, Frau Fröhlich, Sie haben mich ertappt. Ihren Massstäben zufolge bin ich eine dieser «katstrophalen Mütter von heute». Wissen Sie, worin sich meine und Ihre Kinder unterscheiden? In gar nichts. Und wissen Sie, worin Sie und ich uns unterscheiden? Ich lege mehr Wert auf gesunden Menschenverstand als darauf, Prinzipien durchzuziehen, einfach, damit sie durchgezogen sind. Ja, meine Kinder haben so lange im Elternbett geschlafen, wie das für sie gestimmt hat. Weil ich lieber mal kurz einen Nuggi rübergereicht habe, statt gefühlte 48 Mal pro Nacht aufzustehen und ins Kinderzimmer zu wandern.

Nein, ich habe meine Kinder auch nicht regelmässig zur Schule gefahren. Ich fahre heute Kind 1 jeweils zur Schiffstation (es nimmt dann das Schiff zur Schule), weil die für mich auf dem Weg ins Büro liegt, auch wenn ich dafür ein paar Minuten früher los muss. Das ist ein Gefallen, den ich ihr tue, und ich sehe nicht ein, warum ich das nicht sollte. Und ja, ich hole auch ab und zu Kind 2 von seiner Lehrstelle ab. Mit dem Auto dauert das 15 Minuten, mit Bus und Zug 45 Minuten. Wenn ich also Zeit habe, tue ich ihm den Gefallen – aber ich richte nicht meinen Tag danach aus, das Kind zu fahren. Vielleicht verwundert Sie das, Frau Fröhlich, aber beide meine Kinder können trotz der Tatsache, dass sie hin und wieder chauffiert werden, Fahrpläne lesen, Tickets lösen und ÖV benutzen.

«Wenn eines in finanziellen Nöten ist, springe ich auch mal ein – total un-robust, ich weiss. Aber ich stehe dazu.»

Ein bisschen tricky ist die Sache mit dem Geld. Kind 2 verdient in der Lehre Geld, während Kind 1 noch zur Schule geht. Kind 1 erhält Taschengeld, Kind 2 nicht, was ja schon per se nicht ganz fair ist. Ich halte es bei beiden Kindern so, dass ich alles, was mit ihrer Ausbildung zu tun hat, übernehme (Schulmaterial, ÖV-Tickets), alles andere zahlen sie selbst, Kind 1 vom Taschengeld, Kind 2 vom Lehrlingslohn. Letzterer ist etwas höher als das Sackgeld von Kind 1, weshalb sich Kind 2 auch etwas mehr leisten kann, was völlig in Ordnung ist. Wenn eines in finanziellen Nöten ist, springe ich auch mal ein – total un-robust, ich weiss. Aber ich stehe dazu.

Und manchmal staune ich selbst, wie selbstständig und lebensfähig meine Kinder sind, obwohl sie doch ständig so verweichlicht und verwöhnt wurden. Kann es sein, dass Prinzipien doch nicht ganz so wichtig sind, wie wir zu glauben scheinen?

Von SC am 4. November 2023 - 18:00 Uhr