Ich gebs zu: Auch ich gehöre zu denen, die der Meinung waren, dass man sich als Eltern sicher ein bisschen den Kindern anpassen muss, dass es aber grundsätzlich eher umgekehrt sein sollte. Und wenn ich mich heute so anschaue, muss ich zugeben: Ich gehöre vermutlich zu denen, die sich eher mehr als weniger den Kindern angepasst hat, und sicher auch mehr als nötig. Das liegt zum Teil wohl daran, dass ich selbst noch ein bisschen Kind bin – es gibt doch nichts Tolleres als Spaghetti mit Tomatensauce und Freizeitparks! – zum anderen aber auch daran, dass mir gewisse Dinge das Gemotze einfach nicht wert sind. Böse Zungen würden behaupten: Ich meide Konflikte, auch mit den Kindern.
Das mag ja sein. Wenn ich jeweils im Supermarkt überlege, ob ich Pilze, Auberginen und Zucchetti in meinen Einkaufskorb legen soll – alles Dinge, die ich liebe, aber seit Jahren nicht mehr gekauft habe – stelle ich mir ihre langen Gesichter vor und lasse es sein. Obwohl es eine feine Pilzsauce vielleicht tatsächlich wert wäre, mal einen kleinen Streit vom Zaun zu brechen.
Was die Freizeitgestaltung angeht, haben wir hingegen seit einiger Zeit einen Deal: eins für euch, eins für mich. Hard Rock Café gegen Stadtführung, Boybandkonzert gegen kulturellen Anlass. Nun habe ich aber unser gemeinsames Ferienprogramm zum ersten Mal nur auf mich ausgerichtet. Und ich habe nichts ausgelassen. Kathedrale, Museum, kulturelle Stätten und zu guter Letzt noch eine Wanderung, der natürliche Freizeit-Feind eines jeden Teenagers. Da es sich aber beim zu erklimmenden Berg um einen Vulkan handelte, war die Begeisterung allerdings tatsächlich relativ gross.
«Ich glaube, ich spinne. Das Kind ist ja gar nicht so desinteressiert, wie es tut»
Beim Museum sah es allerdings anders aus. Meinen Sohn ereilten schon beim Betreten ganz, ganz starke Leiden, er hatte unausstehliche Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, und war sich sicher, dass sich diese nur durch sofortiges Verlassen des Museums heilen lassen würden. Ich kannte keine Gnade und schleppte das Kind, das ein Gesicht zog wie drei Tage Regenwetter, von Raum zu Raum. Klar kann ich mir vorstellen, dass es für einen Zwölfjährigen Spannenderes gibt als Botticelli. Aber ich ziehe mir auch regelmässig Fortnite und Fussball rein für ihn, jetzt ist halt mal er an der Reihe.
Kaum waren wir wieder draussen, waren die Schmerzen weg. «Hat dir irgendeines der Bilder gefallen?», fragte ich danach hoffnungsvoll bei einem Glacé. «Das von da Vinci», sagte er. Ich war überrascht. Ich hätte zu dem Zeitpunkt schwören können, er hielt Leonardo immer noch für einen Ninja Turtle. «Die Medusa?», fragte ich. «Bisch blöd? Die Medusa ist von Michelangelo. Das von da Vinci heisst Anbetung der Könige!» Ich glaube, ich spinne! Das Kind ist ja gar nicht so desinteressiert, wie es tut. Tja, ab sofort steht noch mehr Kultur auf unserem Freizeit-Programm. Und morgen Abend gibt’s Zucchetti mit Pilzsauce!