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Der ganz normale Wahnsinn

Kinderkriegen ist egoistisch!

Frauen, die keinen Nachwuchs wollen, werden schräg angeschaut. Und sind nicht selten als selbstsüchtig verschrien. Aber, fragt Familienbloggerin Sandra C., ist das Mamiwerden tatsächlich so selbstlos?

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Kürzlich sass ich mit einer Gruppe Freunden in einer gemütlichen Runde. Ein Paar am Tisch, nennen wir es Stefan und Andrea, hat im Sommer geheiratet, alle waren wir bei der rauschenden Party dabei. Ohne zu überlegen stellte ich - ausgerechnet ich! - die Klischee-Frage schlechthin: «Und, wie siehts aus mit Nachwuchs?» «Ich will keine Kinder», antwortete Andrea ohne Zögern, und ohne eine Spur von Verlegenheit. Kurzes, verdattertes Schweigen am Tisch. «Du meinst, du willst noch keine Kinder», meinte jemand. «Nein, ich will keine Kinder», wiederholte Andrea. Und fügte an: «Das würde mein ganzes Leben ändern, und das will ich nicht. Kann schon sein, dass das in ein paar Jahren anders ist, aber momentan habe ich nicht das Bedürfnis nach eigenen Kindern. Auch wenn ich Kinder grossartig finde.»

Das anzufügen, ist unbedingt nötig. Denn wenn eine Frau sagt «Ich will keine Kinder» kommt beim Gegenüber meist etwas in der Art an: «Ich hasse Kinder! Ich bin ein karrieregeiles, selbstsüchtiges Miststück und investiere ganz sicher nicht meine Zeit - geschweige denn meine Kohle - in einen schreienden Hosenscheisser!» Sagt ein Mann hingegen, er wolle keine Kinder, zeigt man meist ein gewisses Verständnis und hakt das Thema ab.

Warum eigentlich? Warum ist für so viele nachvollziehbar, dass ein Mann keinen Bock hat auf volle Windeln, aber für eine Frau gelten schlaflose Nächte und Babykotze immer noch als das Ziel aller Träume? Warum werden kinderlose Frauen so gern als egoistisch abgestempelt? Abgesehen davon, dass ich dieses Attribut gar nicht soooo schlecht finde, sei auch mal die Frage erlaubt: Ist Kinderkriegen tatsächlich so selbstlos? Wird eine Frau Mutter, weil sie sich undedingt für jemanden - für irgendjemanden - aufopfern will? Nicht wirklich, oder? Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ich gehe mal davon aus, dass es bei den meisten von uns so ist: Ich wurde Mutter, weil ich den tiefen Wunsch nach einem Baby verspürte (das gilt selbstverständlich auch für den Vater meiner Kinder). Diesen Wunsch habe ich mir erfüllt. Nicht, weil ich dadurch in erster Linie mein Kind glücklich machen wollte (das kannte ich ja noch gar nicht), sondern mich selbst. Sorry, liebe Mütter, aber Kinderkriegen ist Egoismus pur! (Ausser natürlich ihr seid alle ganz anders als ich.)

Mit dem Kinderhaben siehts dann freilich ein bisschen anders aus. Denn diese winzigen Wesen besitzen die Gabe, die selbstsüchtigste Sache der Welt zur Selbstlosesten werden zu lassen, und zwar im Moment ihres Erscheinens. Kaum sind sie da, würde man für sie töten und sterben. Oder eben auf Schlaf verzichten und Scheisse und Kotze putzen. Aber das weiss man ja nicht im Voraus.

Einer Frau Egoismus vorwerfen, weil sie keinen Kinderwunsch verspürt? Finde ich gedankenlos. Nicht jede muss das wollen, was ich will, auch wenn ich es für das Grösste halte. Und nicht jede muss das fühlen, was ich fühle, auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann. Oder um es mit den Worten meines Sohnes zu sagen: «Ich bin ich und du bist du, und wenn du ich wärst, wüsstest du, wie das ist, aber weil du du bist hast du keine Ahnung!»

am 22. Oktober 2015 - 10:28 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:30 Uhr