Meine Mama feierte kürzlich ihren 70. Geburtstag. Zu ihrem Ehrentag liessen meine Liebsten und ich ihr einen Strauss aus siebzig Rosen schicken. Daraufhin eröffnete sie einen WhatsApp-Gruppenchat mit diversen Leuten mit einem Bild des Rosenstrausses als «Titelbild». Kurz darauf eröffnete sie einen zweiten WhatsApp-Gruppenchat mit dem gleichen Bild. In keinen der Chats schrieb sie etwas rein. Ich vermute, sie wollte sich damit irgendwie bedanken, weiss aber bis heute nicht, warum sie zwei Chats eröffnete, und in keinem etwas schrieb. Aber dass die heutigen Kommunikationswege für ihre Generation zuweilen kompliziert sind, kann ich nachvollziehen.
Szenenwechsel. Mein knapp 19-jähriges Kind 1 ist unter die Trader gegangen. Meine Tochter dealt mit Fotokarten ihrer liebsten Pop-Bands, die sie verschickt. Physisch. Beim ersten Mal stand sie mit einem Briefumschlag in der Hand vor mir und fragte: «Mama, wie verschickt man einen Brief?» Ich: «Äh, wie meinst du das?» Sie: «Was muss ich da vorne draufschreiben?» Ich: «Name und Adresse.» Sie: «Nachname auch?» Ich, leicht verwirrt: «Äääh, jaaaa ....» Sie: «Und wo schreib ich das hin?» Ich: «Unten rechts aufs Couvert.» Sie: «Okay, und dann?» Ich: «Dann wägst du das mal und googelst, wieviel das kostet.» Sie: «Und wie zahle ich das?» Ich: «Mit Briefmarken.» Sie: «Was sind Briefmarken?»
Was für schräge Zeiten, oder? Meine Mutter hadert mit den technischen Kommunikationsformen, meine Tochter mit den analogen. Irgendwie kein Wunder, dass die verschiedenen Generationen ständig aneinander vorbei reden.
«In unserer Wohnung sitzt regelmässig ein halbes Dutzend unsichtbarer Teenager»
Lustigerweise haben wir alle eine total verzerrte Wahrnehmung der jeweils anderen, was das Kommunizieren angeht. Wir – die Generationen der Babyboomer und X-ler – haben immer das Gefühl, «die Jungen reden ja nicht mehr». Das ist nur zum Teil richtig. Untereinander kommunizieren sie nämlich mehr oder weniger pausenlos. Halt einfach auf anderen Kanälen als wir. Wenn wir denken, sie treiben sich nur noch auf Social Media oder in Games rum, ist das in Tat und Wahrheit auch eine Art von Kommunikation. Und zwar eine, die total real ist. So habe ich in der Zwischenzeit gelernt, nicht in Unterwäsche hinter meiner Tochter durchzugehen, wenn sie am Laptop sitzt – ausser ich will, dass ihr gesamter Freundeskreis mich halb nackt sieht. In unserer Wohnung sitzt regelmässig ein halbes Dutzend unsichtbarer Teenager, die alles mitbekommen, was bei uns läuft, und dies auch ungeniert kommentieren («Was ist das für ein Shirt, die deine Mum da trägt? Was ist das für ein Wasser, das sie trinkt? Was ist das für ein komisches Geräusch?»)
Tatsache ist: Die Gen-Z-ler kommunizieren ständig. Einfach nicht mit uns. Umgekehrt haben wir keine Ahnung mehr, wie wir an sie rankommen sollen. «Wir unterhalten uns beim Znacht darüber?» Hahaha! Diese Unterhaltungen klingen etwa so: «Was war da heute los in der Schule?» – «Weiss nöd.» – «Jemand hat an die Wand gesprayt?» – «Nöd ich.» – «Aber ihr musstet alle nachsitzen?» – «Weiss nöd.» Vielleicht muss man ja als Eltern auch nicht alles wissen. Wenns wichtig ist, wirds mir ja schon jemand whatsappen.