«Selbst wenn man offiziell von Gleichstellung spricht, hat sich viel weniger geändert, als man meint: Mütter stehen, trotz Job, nach wie vor am Herd. Gleichzeitig mangelt es an günstigen Kita-Plätzen und Tagesschulen sind eine Rarität. Die sogenannte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch in weiter Ferne», heisst es auf dem Klappentext von Sibylle Stillharts Buch, das vor kurzem erschienen ist. Selbstverständlich gebe ich ihr in all diesen Punkten Recht. Familienfreundliche Strukturen, Vaterschaftsurlaub, mehr Teilzeitstellen, Tagesschulen, bezahlbare Kita-Plätze, flexible Arbeitsmodelle und nicht zuletzt etwas fortschrittlicheres Denken in vielen Köpfen würde uns einiges erleichtern. Trotzdem glaube ich, dass es auch in der Schweiz möglich ist, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Ich halte mich für eine einigermassen durchschnittliche Mutter, die durchschnittlich vieles richtig und falsch macht. Also sicher nicht die beste Instanz, um anderen Ratschläge zu erteilen. Nichtsdestotrotz habe ich mittlerweile fast elf Jahre Erfahrung, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht. Ich masse mir deshalb an, hier einige Tipps zu geben, liebe Mit-Mütter, und mache mich schon mal auf ein paar böse Reaktionen gefasst.
Streicht das Wort «Doppelbelastung» aus eurem Wortschatz!
Ich finde es furchtbar! Weder meine Kinder noch mein Job sind eine Belastung für mich. Meine Tochter und mein Sohn können zwar nerven und richtig anstrengend sein. Aber ganz grundsätzlich sind sie meine grösste Liebe, mein grösster Stolz, meine grösste Freude. Ich verbringe gern Zeit mit ihnen. Umso lieber sogar, wenn ich einen Tag im Büro war. Ich koche gern für meine Kinder, noch lieber koche ich mit ihnen zusammen. Ich mache sogar gern Hausaufgaben mit ihnen (ausser Mathe mit meiner Tochter, da bin ich bereits leicht überfordert). Und ich gehe gern arbeiten. Klar ist mir bewusst, dass es Mütter gibt, die nur aus finanziellen Gründen arbeiten müssen, und ich weiss es zu schätzen, dass mir mein Job Spass macht. Irgend einen Vorteil muss aber doch jede berufstätige Mutter in ihrer Arbeit sehen (auch wenn es nur die Kohle ist), sonst müsste sie sich das nicht antun. Doppelbelastung oder doppelte Freude? Es ist alles eine Einstellungssache.
Nehmt die Väter in die Pflicht
Laut Bundesamt für Statistik liegt in drei Vierteln der Familien die Hauptverantwortung für Kinder und Haushalt bei den Frauen, auch wenn diese berufstätig sind. Warum lassen wir das eigentlich mit uns machen? Wenn ich finanziell meinen Teil zu unserer Familie beitrage, ist für mich ganz klar, dass mein Partner in Sachen Kindererziehung und Haushalt auch den seinen leistet. Verhandelt mit euren Partnern, und lasst dabei gesunden Menschenverstand walten. Ich koche gern, er nicht, also macht es keinen Sinn, ihn im Zuge der Gleichberechtigung an den Herd zu zwingen. Er räumt dafür die Küche auf. Und zwar immer. Und wenn er mal zu müde ist, macht ers halt morgen. Ohne dass ich mich darüber aufrege. Und ja, ich finde, frau darf vom Vater ihrer Kinder verlangen, dass er Teilzeit arbeitet und an gewissen Tagen die volle Verantwortung für die Kinder übernimmt. Wenn das mit dem Teilzeitjob tatsächlich nicht möglich ist (was ich öfters zu bezweifeln wage. Wer wirklich will, muss halt fragen!) ist dieser Tag halt am Wochenende. Und auch mal am Abend. Laut einer Studie ist für die meisten Männer Erfolg im Beruf wichtiger als die Familie. Trotzdem: Es sind auch seine Kinder. Und wenn er das zwischendurch mal vergessen sollte, muss frau ihn daran erinnern.
Habt Vertrauen
Der eben erwähnte Tipp funktioniert nur, wenn ihr euren Partnern auch vertraut. Beziehungsweise wenn ihr ihnen zutraut, dass sie Kinder und Haushalt genauso gut im Griff haben wie ihr. Seid keine Kontrollfreaks. Hört auf, jede Stunde anzurufen und SMS zu schreiben (ja, sorry, ich gebs zu, meine «Nicht vergessen...»-SMS sind blöd. Aber nicht vollständig aus der Luft gegriffen...) Dann ruft er nämlich auch nicht an, um zu fragen, wo die Socken sind, sondern sucht sie selbst. Lasst ihn Fehler machen. Wir machen auch welche. (Auch wenn wir wesentlich schneller aus ihnen lernen. Es kann doch gopfridstutz nicht so schwierig sein, mal einen Blick auf diesen Stundenplan zu werfen!) Und vertraut auch euren Kindern. Die können nämlich oft viele Dinge, von denen wir gar nicht wissen, dass sie sie können. (So hab ich zum Beispiel erst gerade herausgefunden, dass meine wunderbar ihre eigenen Koffer packen können, und dass ich mir den Stress, immer für drei packen zu müssen, total unnötigerweise selbst gemacht habe.) Und last but not least: Habt Vertrauen in euch selbst. Ihr macht das schon richtig.
Seid gut im Job
Ja, die Strukturen sind an vielen Orten immer noch, gelinde gesagt, scheisse. Präsenzzeiten gehen über Output, Homeoffice ist ein Fremdwort. Aber ich habe leider Gottes auch schon viele Frauen erlebt, die immer nur jammern und nicht bereit sind, etwas zu investieren. Sorry, Ladys, aber Gleichberechtigung bedeutet eben auch, dass auch hier die gleiche Regel für alle gilt. Und die lautet: Privilegien muss man sich verdienen. Wer immer nur früher abhauen will, um die Kids rechtzeitig aus der Kita zu holen, aber nie bereit ist, dafür mal einen Wochenendeinsatz oder eine Nachtschicht einzulegen, muss sich nicht wundern, wenn sie (oder er) nicht zuoberst auf der Beförderungsliste steht. «Ich muss früher weg, aber ich nehme alle Unterlagen mit nach Hause, Sie haben alles morgen früh auf dem Tisch» klingt anders als «Ich muss früher weg, sorry....», oder? Ich habe schon einige Chefs erlebt, die der Homeoffice-Idee gar nicht mehr so abgeneigt waren, wenn sie gesehen haben, dass der Einsatz stimmt. Ich habe in den vergangenen elf Jahren manche Nachtschicht und manchen Wochenendeinsatz geleistet, und ich mache öfter auch etwas ohne konkreten Auftrag, zum Networken oder einfach um meinen guten Willen zu zeigen. Dafür schaut auch niemand blöd, wenn ich nachmittags früher als andere meine Sachen packe (und wenn, wärs mir, ehrlich gesagt, auch egal...).
Vergesst euch selbst nicht
Ich glaube, das war einer der grössten Fehler, die ich in den vergangenen elf Jahren gemacht habe. Mein Beruf ist meine Passion, meine Familie meine grosse Liebe. Wenn ich weg war von meinen Kindern, hatte es immer irgendwie mit meinem Job zu tun. Beruf und Familie darüber habe ich mich selbst jahrelang definiert. Irgendwann war ich im Job nicht mehr ganz so glücklich, und meine Kinder erreichten ein Alter, in dem sie meine körperliche Präsenz nicht mehr so brauchten, wie als sie noch klein waren. Und ich? Hatte mich irgendwo zwischen Kids und Karriere selbst verloren. Und brauchte eine ganze Weile, um mich wieder zu finden. Deshalb mein dringender Rat: Auch wenn es euch schwer fällt, eure lieben Kleinen ein paar Stunden zu verlassen, auch wenn ihr eh schon ein schlechtes Gewissen habt, weil ihr wegen der Arbeit nicht 24 Stunden für euren Nachwuchs da seid: Nehmt euch Zeit für euch selbst, eure Freunde, eure Hobbys, alles, was nichts mit Job oder Familie zu tun hat. Glaubt mir, auf lange Sicht lohnt es sich.
Vergesst die anderen
Was eure Nachbarin oder eure Schwiegermutter über euch sagt oder denkt, ist genauso egal, wie wie es in eurer Küche aussieht (Perfektionismus vergesst ihr am besten auch gleich). Vergesst Geschwätz, vergesst versteckte (oder offene) Vorwürfe, vergesst schräge Blicke. Vergesst (gut gemeinte) Ratschläge. Ausser natürlich die meinen. Oder auch nicht.