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Der ganz normale Wahnsinn

Ode an die Schule

Die Tochter unserer Familienbloggerin hat gerade die Matura abgeschlossen, ihr Sohn ist in der Lehre. Ein Besuch in Kambodscha, wo der Schulbesuch für kein Kind eine Selbstverständlichkeit ist, regt Sandra C. zum Nachdenken über Bildung an. Und sie muss gestehen: Auch wenn sie manchmal drüber gewettert hat – so schlecht ist unser Schulsystem nicht.

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Sandra Casalini Blog Mädchen am Schreiben

Die Tochter unserer Familienbloggerin an ihrem ersten Schultag. Jetzt hat sie die Matura abgeschlossen – und unendlich viele Möglichkeiten.

ZVG

«Andere Kinder wären froh, sie könnten zur Schule gehen.» Habt ihr den Satz als Kinder auch von euren Eltern «um die Ohren gehauen» bekommen? Und fandet ihr ihn auch total absurd? Welches Kind will schon freiwillig jeden Tag zur Schule, wenn es frei haben könnte?

Während ich diese Zeilen hier schreibe, befinde ich mich in Kambodscha für eine Reportage über das Schweizer Hilfswerk «Smiling Gecko», das unter anderem eine Schule betreibt. Eine Schule voller Kinder, die mit riesigem Eifer bei der Sache sind. Das sind sie, die Kinder von denen meine Eltern damals gesprochen haben: Die, die froh sind, dass sie überhaupt zur Schule gehen dürfen. Weil Bildung in diesem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind, nicht selbstverständlich ist. Mehr als das: Sie ist der Weg aus einem Hamsterrad aus Armut, Kriminalität und Prostitution. Nicht nur, aber vor allem auch für Mädchen.

Völlig für d Füchs 

Ich muss ja gestehen, dass ich auch an dieser Stelle das eine oder andere Mal über unser Schulsystem gemotzt habe. Es gibt immer noch Dinge, die ich nicht ganz verstehe. Zum Beispiel, warum man gewisse Fächer nicht spätestens in der Oberstufe abwählen kann. Dass aus Kind 1 weder Chemikerin noch Physikerin wird, wusste es bereits nach einem Jahr des entsprechenden Unterrichts. Und an und für sich bin ich ja eine grosse Verfechterin des Fremdsprachenunterrichts, aber bei Kind 2 war Französisch nun wirklich «totalement en vain». Also völlig für d Füchs. Warum es sich da durchquälen musste, statt sich auf die Dinge zu konzentrieren, die ihm besser liegen, bleibt mir ein Rätsel.

 

 

«Ihre Bildung öffnet meinen Kindern Türen, von denen andere nur träumen können»

Kind 1 hat gerade die Matura gemacht. Kind 2 ist in der Lehre zum Restaurationsfachmann. Gerade jetzt sehe ich immer klarer, was für einen unglaublichen Schatz die beiden mit sich herumtragen. Was sie in den letzten Jahren an Bildung mitbekommen haben kann ihnen niemand mehr nehmen. Es wird sie ein Leben lang begleiten und öffnet ihnen Türen, von denen andere Kinder und Jugendliche weltweit nur träumen können. Auch wenn sie bei weitem nicht alles brauchen werden, was sie gelernt haben, und vermutlich sogar vieles davon wieder vergessen.

Ihre Ausbildung ist ihr Sicherheitsnetz 

Dass Kind 1 mit einer Matura im Hauptfach Musik sogar Chemie studieren könnte, finde ich zwar total unnötig, aber es zeigt, dass mit diesem Diplom in der Tasche wirklich ALLES möglich ist. Auch Kind 2 werden mit einer Berufslehre wahnsinnig viele Wege offenstehen, egal, ob in seinem erlernten Beruf oder nicht. Das war und ist übrigens meine einzige Bedingung in Sachen Ausbildung an meine Kinder, auch wenn er in ihren Ohren vielleicht ein bisschen altbacken klingt: «Ich will, dass ihr einen Abschluss habt.»

Wenn Kind 1 danach versuchen will, mit seiner Musik durchzustarten, total okay. Wenn Kind 2 seine eigene Firma gründet und tradet, long und short und weiss ich was geht, ebenfalls vollkommen in Ordnung. Und wenn sie dabei so richtig auf die Nase fallen – frustrierend, aber halb so schlimm. Dann werden sie merken: Ihre Ausbildung ist ihr Sicherheitsnetz. Ich weiss, das ist ein sehr schweizerisches Denken. Aber ich kann euch eins sagen: Meine Eltern hatten recht. Wenn jedes Kind auf dieser Erde zur Schule gehen könnte, wäre die Welt eine bessere.

Von SC am 6. Juli 2024 - 12:00 Uhr