Meine Lieblingsanekdote stammt bereits aus dem Jahr vor meiner ersten Weihnacht als Mutter. Ich finde sie zum Schreien komisch. Mein Bruder weniger – zumal er kaum Erinnerungen dran hat und sie nur aus Erzählungen kennt, diese legendäre Weihnachtsfeier vor 17 Jahren.
Am Tag zuvor hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Als mir dann direkt nach meiner Ankunft bei der Familie ein Glas Champagner in die Hand gedrückt wurde, merkte ich, dass mein Plan, niemandem was zu verraten, schwierig werden würde.
Also nahm ich meine Vertrauensperson Nummer eins zur Seite: «Hör zu, ich bin schwanger. Noch nicht mal der Vater des Babys weiss es. Du musst mir helfen heute, okay? Kannst du unauffällig meinen Alkohol mittrinken?»
Klar konnte mein Bruder. Und wie er konnte! Ich werde das Bild, wie er am Ende des Abends auf allen vieren die Treppe hochkroch, nie vergessen (und zu seiner Ehrenrettung sagen: Ich habe es nie wieder gesehen). Und auch den ratlosen Blick unserer Mutter nicht: «Er hat doch gar nicht so viel getrunken ...».
«Mal hofft man, dass man es von der Notfall-Station des Kinderspitals heimschafft, bevor die Gäs-te eintrudeln. Und dass der diensthabende Arzt alle Splitter der Weihnachtsbaum-Kugel aus dem Mund des Zweijährigen holt, der dieses Glitzerding für so verlockend hielt, dass er herzhaft reinbiss.»
Im Folgenden waren die Feiertage jeweils geprägt vom ganz normalen Wahnsinn, den man mit Kindern eben so hat. Mal verbringt man den halben Abend damit, aufgeweichtes Geschenkpapier aus allen möglichen Körperöffnungen des Babys zu pulen. Mal hofft man, dass man es von der Notfall-Station des Kinderspitals heimschafft, bevor die Gäste eintrudeln. Und dass der diensthabende Arzt alle Splitter der Weihnachtsbaum-Kugel aus dem Mund des Zweijährigen holt, der dieses Glitzerding für so verlockend hielt, dass er herzhaft reinbiss. Mal versucht man verzweifelt, den Geruch aus den Räumen zu kriegen, welcher die Vierjährige hinterlassen hat, die den Guetsli-Teig vom fröhlichen Back-Nachmittag unverdaut unter den Christbaum gekotzt hat. Und zwar bevor er sich mit dem des Raclette-Öfelis mischt.
Und dann kommen all die andern kleinen, «normalen» Dinge dazu. Die enttäuschten Blicke beim Auspacken der Geschenke. Die enttäuschte Reaktion auf die enttäuschten Blicke beim Auspacken der Geschenke. Die Enttäuschung der Gastgeber, wenn die Kinder das Dessert nicht gern haben. Letzterem haben meine Kinder übrigens schon vor Jahren vorgebeugt: sie haben allen Verwandten ein selbst gemachtes Büchlein mit ihren Lieblingsrezepten geschenkt. Selbst schuld, wer sich nicht dran hält.
So oder so: Auch wenn die Sehnsucht danach gross ist in diesen Zeiten – wenn man sichs wirklich mal vor Augen hält, kommt man unweigerlich zum Schluss: Normalität wird überbewertet. Gerade an Weihnachten. In diesem Sinne wünsche ich allen frohe Festtage.
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