Die Temperaturen steigen – Zeit für kurze Hosen. Ich schleppe wie jedes Jahr Kisten aus dem Keller und lege sie den Kindern aufs Bett. Im Sommer ist das meist keine grosse Sache. Ist ja nicht so tragisch, wenn die Shorts ein kleines bisschen kürzer ausfallen als vergangenes Jahr.
Als ich ins Zimmer meines Sohnes trete, versucht er gerade, irgendwie in ein Paar dieser Hosen reinzukommen. Keine Chance – er kann sie gerade mal bis knapp übers Knie ziehen.
«Die sind vielleicht beim Waschen eingegangen», sag ich. «Zieh halt andere an.» – «Das liegt nicht am Waschen. Ich hab keine mehr, die passen!» Gut, hatte er eben über den Winter einen Wachstumsschub. Soll ja bekanntlich vorkommen. Klar hab ich gemerkt, dass er inzwischen so gross ist wie ich. Ich habs ignoriert. Als Mutter hab ich ein Recht dazu.
«Was soll denn das jetzt? Ich hab die allergrösste Buben-Grösse bestellt, die es gibt, die müssen passen.»
Da ich einkaufen zu mühsam finde, wenn ich etwas Spezielles für die Kids suche (im Gegenteil zum Freizeitvergnügen «Shoppen» – wenn man eigentlich gar nichts braucht, und trotzdem viel findet...), ordere ich online eine Ladung kurze Hosen für meinen Junior und stelle ihm das Paket hin, als es ankommt.
«Die passen alle nicht!», schallt es Minuten später aus seinem Zimmer. Was soll denn das jetzt? «So ein Seich», rufe ich zurück. «Ich hab die allergrösste Buben-Grösse bestellt, die es gibt, die müssen passen.» – «Ah ja?», meint er als er aus seinem Schlag tritt, in Shorts, die so eng sitzen, dass sie jedem Veloprofi alle Ehre gemacht hätten (dabei habe ich nur extra weit geschnittene bestellt, weil er enge Hosen hasst).
«Plötzlich fallen mir Dinge auf, die ich noch nie so richtig an ihm bemerkt habe. Jedenfalls nicht bewusst. Die breiten Schultern, der muskulöse Oberkörper.»
Ich bemühe mich krampfhaft, ihm nicht zwischen die Beine zu starren. Wann ist DAS passiert? Grinsend schaut er auf mich runter – obwohl er WIRKLICH noch nicht grösser ist als ich. Im Fall! – und meint spöttisch: «Vielleicht liegts ja dran, dass ich kein Bub mehr bin!»
Ich schaue ihn an – und plötzlich fallen mir Dinge auf, die ich noch nie so richtig an ihm bemerkt habe. Jedenfalls nicht bewusst. Die breiten Schultern, der muskulöse Oberkörper. Der helle Flaum über der Oberlippe, die behaarten Beine. Die riesigen Hände und Füsse. Mein Kind wird tatsächlich mehr und mehr zum Mann. Ich könnte heulen!
Dabei ist es ja nicht so, dass ich das noch nie erlebt habe. Ich habe schon mal Körperhaare spriessen und Körperteile wachsen sehen. Und musste beim Einkaufen schon mal Abschied von der Kinderabteilung nehmen. Aber das war nicht ganz so schlimm. Ich hatte ja noch ein «Baby». Wie konnte ich ahnen, dass es so schnell gehen würde? Erst gerade noch trug mein Jüngster ein Spidermankostüm oder die süsse Mütze mit den Bärenohren. Ich kämpfe tatsächlich mit den Tränen.
«Ich sehe ihn genauer an und mein Blick bleibt an seinem T-Shirt hängen, auf dem Spuren von Tomatensauce, Orangensaft und Schoggiglacé miteinander wetteifern.»
«Ach, Mum», meint er, und legt mir gutmütig den Arm um die Schulter. «Ist doch egal, es sind ja nur ein paar zu kleine Hosen. Und weisst du – ein paar Sachen bleiben doch gleich.» Ich sehe ihn nochmal genauer an und mein Blick bleibt an seinem T-Shirt hängen, auf dem Spuren von Tomatensauce, Orangensaft und Schoggiglacé miteinander wetteifern. Tja – wo er recht hat, hat er recht.
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