Impfen ist ja in unseren Breitengraden so etwas wie eine Glaubensfrage. Gegnerinnen und Gegner verteufeln die Spritze, die vor diversen - oft tödlichen - Krankheiten schützt, andere schwören darauf. Nun ist ja Impfen aber, wenn man es ganz genau nimmt, Körperverletzung. (Was für mich in der Folge bedeutet, dass ein Impfzwang gar nicht geht!) Man lässt sich Krankheitserreger spritzen (meist abgetötete, die sich nicht mehr vermehren können, aber auch das sind Krankheitserreger), um zu erreichen, dass der Körper Antikörper dagegen bildet, welche dann bei einer tatsächlichen Erkrankung den Erreger bekämpfen.
Nun finde ich, ist es schon ein Unterschied, ob ich mein Einverständnis zu meiner eigenen Körperverletzung gebe oder zu der meiner minderjährigen Kinder. Ich bin weit davon entfernt, Impfgegnerin zu sein. Ich finde es grundsätzlich ein Segen, dass man sich vor tödlichen Krankheiten schützen kann. Und ich finde auch, jede und jeder einzelne muss sich zumindest überlegen, ob er oder sie nicht eine gewisse gesellschaftliche Verpflichtung hat, wenn nicht sich selbst, dann andere zu schützen.
«Die Chance, dass meine Kinder im Teenageralter bei einer Infektion an Covid sterben ist - Stand jetzt - nicht riesig. Aber das kann sich ändern. Wie gross die Chance auf längerfristige Nebenwirkungen ist - und da muss man ehrlich sein - ist einfach total unbekannt. Es fehlt die Erfahrung.»
Bei Krankheiten wie Masern, Röteln oder Kinderlähmung war das für mich nie eine Frage. Tödliche Krankheiten gepaart mit lange getesteten Impfstoffen und Nebenwirkungen, die relativ selten vorkommen … klar. Wobei ich auch bei diesen Fällen alle verstehe, die sich dagegen entscheiden.
Jetzt aber Covid. Die Chance, dass meine Kinder im Teenageralter bei einer Infektion daran sterben ist - Stand jetzt - nicht riesig. Aber das kann sich ändern. Wie gross die Chance auf längerfristige Nebenwirkungen ist - und da muss man ehrlich sein - ist einfach total unbekannt. Es fehlt die Erfahrung. Mir hängt noch ein Satz im Ohr, den mir eine befreundete Ärztin gesagt hat: «Ich bin sicher nicht die erste, die zum Impfzentrum rennt. Ich bin Ende zwanzig. Ich will vielleicht noch irgendwann Kinder.» Könnte es tatsächlich sein, dass ein Impfstoff unfruchtbar macht? Den Mythos gibt es schon lange, und bisher hat er sich immer als haltlos herausgestellt. Das wird wohl auch bei Corona so sein. Aber eben - es fehlt die Erfahrung.
Ja, ich finde, auch eine Covid-Impfung ist ein Stück weit eine gesellschaftliche Verpflichtung zum Schutz gefährdeter Personen. Was mich selbst angeht, habe ich damit null Probleme. Ich bin 45, ob ein Impfstoff in meinem Körper nun noch längerfristig einen Schaden anrichtet oder nicht, ist zwar nicht egal, aber nicht mehr ganz so wichtig, wie wenn ich jünger wäre. Aber meine Kinder SIND jünger. Und es ist schlussendlich meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihr Körper so lange wie möglich so unversehrt wie möglich bleibt.
«Mein minderjähriges Kind braucht mein Einverständnis, um sich ein Loch in die Ohren stechen zu lassen, aber nicht, um sich einen Impfstoff in den Körper jagen zu lassen, von denen die langfristigen Nebenwirkungen noch unbekannt sind? Das finde ich ein kleines bisschen befremdlich.»
Meine Tochter hingegen ist total Feuer und Flamme. Sie will sich unbedingt impfen lassen - «damit ich an Konzerte kann». «Bist du sicher?», frage ich sie. «Was, wenn du in fünf, zehn Jahren Nebenwirkungen hast, von denen du heute noch nichts ahnst?» Sie zuckt die Schultern. «Du lässt dich doch auch impfen.» - «Aber ich bin alt. Mich betreffen die nicht mehr so lange wie dich.» - «Egal, ich will an Konzerte.»
Nun ist es tatsächlich offenbar so, dass sie laut BAG mit ihren knapp 17 Jahren «urteilsfähig» ist. Mein minderjähriges Kind braucht mein Einverständnis, um sich ein Loch in die Ohren stechen zu lassen, aber nicht, um sich einen Impfstoff in den Körper jagen zu lassen, von denen die langfristigen Nebenwirkungen noch unbekannt sind? Das finde ich ein kleines bisschen befremdlich. Ich könnte es ihr natürlich trotzdem verbieten. Was ich nicht tun werde.
Aber ich werde nochmal ein Gespräch mit ihr führen. Und ihr erklären, dass es hier nicht um Konzerte geht, sondern um die Abschätzung von Konsequenzen für einen selbst und andere, um gesellschaftliche Verpflichtungen, Zwänge und Privilegien - und ganz am Ende um gesunden Menschenverstand. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass sie diesen Entscheid selbst trifft.