Denn eigentlich hatte ich gedacht, dass mich solches Geschwafel nicht mehr provozieren kann. Aber wenn es eine Sorte Mensch gibt, die mir zutiefst zuwider ist, sind es intolerante Besserwisser und Besserwisserinnen, die ihren eigenen Lebensstil für den einzig richtigen halten, und es als ihre Mission ansehen, ihn allen anderen aufzuzwingen. Offenbar gibt es in diesem Land mehr als genug von diesen. Und sie sind mit Schuld daran, dass wir immer noch keinen Vaterschaftsurlaub haben, keine Ganztagsschulen und keine bezahlbaren Kinderbetreuungsplätze. Und dies, obwohl es sie null Komma nichts tangiert. Denn viele dieser gehässigen Besserwisser, die an der Urne immer und immer wieder dagegen stimmen, dass Frauen in der Schweiz Kinder und Job wenigstens einigermassen auf die Reihe kriegen können, sind Männer, die vermutlich weder das Lieblingsessen ihrer Kinder kennen, noch deren Stundenplan oder ob sie irgendwelche Allergien haben, weil sie selbst ihren Job dem Nachwuchs immer vorgezogen haben.
Bezeichnend finde ich auch, dass es immer die «Die Mutter gehört in die Küche und zum Kind»-Front ist - egal ob Mann oder Frau -, die so krass reagiert und so laut schreit.
Stellt euch vor, Steffi Buchli hätte in besagtem Interview gesagt, sie bleibe fortan zu hundert Prozent zu Hause und kümmere sich um Kind und Haushalt. Wie viele gehässige Kommentare hätte sie da wohl kassiert? «Geh arbeiten, du faule Sau!»? Wohl kaum. Tschuldigung, wenn ich das mal so direkt sage, aber irgendwie scheinen wir berufstätigen Mütter toleranter zu sein. Aber vielleicht haben wir auch einfach weder Zeit noch Nerven, um Kommentare zu schreiben.
Da das Kommentieren gewisser Dinge aber Gott sei Dank zu meinem Job gehört, nehme ich mir die Freiheit, und beantworte ein paar der trotz allem recht amüsanten Kommentare in der «Causa Buchli». Und eins vorneweg: All die, die Frau Buchli nicht am Bildschirm sehen wollen: Es gibt da ein kleines Ding, das zu eurem TV gehört. Es nennt sich Fernbedienung und hat Knöpfe drauf. Einfach um- oder ausschalten und schon ist euer Problem gelöst.
Vanessa H.: «Es ist doch irgendwie grausam, diese kleinen Wesen in aller Frühe aus dem Schlaf zu reissen und bis spät abends wildfremden Menschen in irgendwelchen Einrichtungen zu überlassen.»
Liebe Vanessa, ich kann ja nur für mich sprechen, aber wenn ich mich richtig erinnere, haben die kleinen Wesen jeweils mich aus dem Schlaf gerissen und nicht umgekehrt. Und die Menschen, denen ich sie anvertraut habe, wenn ich arbeitete, habe ich tatsächlich gekannt, sogar mit Namen, und in der «Einrichtung» gabs jede Menge Spielzeug, einen riesigen Garten und ein Trampolin, was sie absolut grossartig fanden.
Barny G.: «Was heisst ‹Ich war 37 Jahre lang eine Egoistin›? ‹Ich bin und bleibe weiterhin eine Egoistin›, das wäre treffender gewesen.»
Lieber Barny Geröllheimer, der zu feige ist, seinen echten Namen zu nennen. Laut Duden ist Egoismus «das Streben nach Erfüllung, der die eigene Person betreffenden Wünsche; Eigenliebe». Kinder zu haben ist also per se egoistisch oder wurde je eines gefragt, ob es auf die Welt kommen will? Genauso verhält es sich mit Babys: Man kann sie nicht fragen, ob die Mama (oder der Papa!) arbeiten gehen darf, sondern nur das entscheiden, was man im Moment für das Richtige hält. Und das ist in jedem Fall purer Egoismus. Und Eigenliebe halten sie für negativ? Dazu kann ich nur sagen: Wenn Sie sich selbst nicht lieben, tut das auch niemand anders. Aber das kann ich verstehen, irgendwie, nach diesem Post.
Hans K.: «Sie würde nicht nur ihrem Karli sondern auch mir einen Gefallen tun, wenn sie zu Hause bleiben täte.»
Lieber Hans, Frau Buchli hat eine Tochter namens Karlie geboren, das ist englisch und muss nicht jedem gefallen. Hätte sie einen Sohn, würde er ihr vermutlich verzeihen, dass sie wieder arbeiten geht - aber dass sie ihn Karli genannt hat wohl eher nicht.
Petra M.: «Was bitte ist gut daran, den Sohn schon mit vier Monaten zu vernachlässigen? Frau, wenn du nicht musst, bleib zu Hause.»
Liebe Petra, das mit Sohn und Tochter haben wir ja schon geklärt. Bei der «Frau» würd ich allerdings gern nochmal nachhaken: Meine Kinder haben einen Vater, und Steffi Buchlis Tochter hat ziemlich sicher auch einen. 50 Prozent der Gene, 50 Prozent der Verantwortung. Warum soll da ausschliesslich die Frau zu 100 Prozent zu Hause bleiben?
Carole L.: «Kein Baby will von seiner Mutter getrennt sein. Schwach, einfach nur schwach, was sie hier leistet.»
Liebe Carole, woher wollen Sie das wissen? Haben Sie mal ein Baby gefragt? Meine Kinder erinnern sich auf jeden Fall gern an ihre Krippen-Zeit zurück. Frau Buchli wird, genau wie ich, organisieren, rennen, sich bemühen, sich immer wieder hinterfragen, und zwar so sehr, wie es sich eine nichtberufstätige Mutter kaum vorstellen kann. Und das Glück ihres Kindes wird dabei immer im Vordergrund stehen. Ich finde das stark. Und wissen Sie was? Ich bin ziemlich sicher, dass ich zwei glückliche Kinder habe. So falsch können meine letzten knapp zwölf Jahre nicht gewesen sein.
Marcos G.: «Der bezahlte Mutterschaftsurlaub ist vorbei, also muss wieder Kohle reinkommen, damit man auch die extra angeschaffte Nanny bezahlen kann, die sich neu um den Säugling kümmert, damit Steffi wieder an ihrer Karriere schrauben kann, so läuft das heute, Emanzipation auf Kosten der eigenen Kinderbetreuung.»
Lieber Marcos, ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Wissen Sie, was Emanzipation bedeutet? Laut Duden bedeutet es die «Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit; Selbstständigkeit; rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Frau und Mann». Was für die Kinderbetreuung bedeutet: Der Vater ist genauso in der Pflicht. Im Übrigen geht niemand arbeiten, nur um die Nanny bezahlen zu können. Denn ob sies glauben oder nicht: Wir gehen nicht arbeiten, um möglichst keine Zeit mit unseren Kindern zu verbringen, sondern - ganz im Sinne der Gleichberechtigung - um unseren finanziellen Teil zur Familie beizutragen. Und das mit der Karriere können Sie als Mann vermutlich nicht nachvollziehen, aber als Mutter mit Kleinkind ist «an der Karriere schrauben» im Moment bei uns noch - fast - vergebliche Liebesmüh.
Felix S.: «Frauen, die ihren Egoismus vor die Bedürfnisse der Kinder stellen, sind in meinen Augen keine Mütter, sondern kalte Gebärmaschinen.»
Lieber Felix, ich weiss nicht, ob Sie Kinder haben, und wenn ja, was deren Bedürfnisse sind. Aber meine wollen essen und Klamotten tragen, und zwar jeden Tag. Sie brauchen Spielzeug, Schulmaterial, wollen Sport machen und Instrumente spielen, brauchen ein Dach über dem Kopf und eine Krankenkasse. All das kostet Geld. Und das kriegt nur, wer arbeitet. Und wenn Sie je ein Kind geboren hätten, würde ein Schwachsinn wie «kalte Gebärmaschine» niemals über Ihre Lippen beziehungsweise ihre Tasten kommen, denn es gibt nichts Schmerzhafteres auf der Welt, als ein Baby aus sich rauszupressen, und nichts Schöneres, als es danach im Arm zu halten.