Wenn mir jemand vor etwa 14 Jahren ein Foto von meinem heutigen Kind 1 gezeigt hätte, hätte ich ziemlich sicher ungläubig den Kopf geschüttelt. Nicht darüber, wie es aussieht – sondern darüber, wie es rumläuft! Ich hätte das zweijährige, blonde Geschöpf, das täglich ein Tutu anziehen wollte und sich weigerte, eine andere Farbe als Rosa zu tragen, niemals mit der 16-jährigen Version seiner selbst in Einklang gebracht.
Dabei hätte ich noch nicht mal gewusst, dass die Haare, welche das Kind gerade zur Hälfte rot, zur Hälfte blau trägt, vor kurzem noch lila waren. Und den Undercut hätte ich auch nur gesehen, wenn das Haar zu zwei Schnecken gedreht gewesen wären, wie Kind 1 das gern macht, wenns heiss ist.
«Es muss alles zusammenpassen. Und mit alles meint das Kind alles. Letzthin mussten wir nach zehn Minuten im Auto wieder umkehren, weil es die passende Maske zum Outfit vergessen hat.»
Wirklich sprachlos gemacht hätten mich aber die Klamotten. Was ist mit dem Kind passiert, das jahrelang ausschliesslich farbige, mädchenhafte Kleidchen tragen wollte? Überdimensionale Kapuzenpullis? Holzfällerhemden? Schottenröcke? Nietengürtel? Netzstrümpfe und derbe Boots - mitten im Sommer? Alles in Schwarz, ab und zu mal weisse oder farbige Tupfer. «Ich muss auf meinen Style achten», erklärt mir das Kind. «Es muss alles zusammenpassen.» Und mit alles meint es alles. Letzthin mussten wir nach zehn Minuten im Auto wieder umkehren, weil es die passende Maske zum Outfit vergessen hat.
Eines muss man Kind 1 lassen: es läuft nicht rum wie alle anderen. Die «Teenager-Uniform», der ich täglich begegne, wenn ich in der Nähe des Oberstufenschulhauses unterwegs bin – Skinny Jeans, T-Shirt, weiss Sneakers – ist nicht sein Ding. Kind 1 will offenbar anders sein als alle. Aber gleich wie gewisse Popstars, die es mag. Wer bin ich? Wer will ich sein? Wie will ich wirken? Individualität vs. Zugehörigkeit – zu wem oder was auch immer. Das ewige Thema beim Erwachsenwerden – klamottentechnisch ausgedrückt.
«Irgendwann fing es an mit den Turnschuhen. Sie müssen eine bestimmte Marke sein, und sauteuer. «Weil die alle tragen.» Nichts Individualität. Gruppenzwang.»
Kind 2 war bis vor einiger Zeit relativ uninteressiert an seinem Erscheinungsbild. (Abgesehen vom ersten Kindergartentag, an dem es vor dem Spiegel stand und meinte: «Mit dem Chinzgitäschli gsehni scheisse us!») Hauptsache bequem, Hauptsache kein grosser Aufwand. Dass man zur Schule keine Trainerhosen anziehen darf, findet es nach wie vor eine Zumutung. Irgendwann fing es an mit den Turnschuhen. Sie müssen eine bestimmte Marke sein, und sauteuer. «Weil die alle tragen.» Nichts Individualität. Gruppenzwang.
Und zwar einer, der langsam auch auf anderes überschwappt. Ich hab ihm zum Geburtstag zwei Marken-Shirts geschenkt (im Ausverkauf erstanden, natürlich) – und hätte noch vor Kurzem nie gedacht, dass Kind 2 so strahlt, wenn es Kleider zum Geburtstag kriegt! Ehrlich gesagt habe ich eine Zeitlang gehadert damit, dass das Kind das Gefühl hat, seinen Wert über Markenklamotten definieren zu müssen. Aber ob man sich selbst nun in Nike und Versace oder dem Style einer K-Pop-Band sucht, spielt ja schlussendlich keine Rolle. Bis man sich findet, wirds eh noch eine Weile dauern.
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