1. Home
  2. Blogs
  3. Der ganz normale Wahnsinn
  4. Vaterschaftsurlaub Schweiz: Ein winziger Schritt in Richtung Gleichstellung
Der ganz normale Wahnsinn

Ein winziger Schritt in Richtung Gleichstellung

Am 27. September wird über einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub abgestimmt. Immerhin ein Anfang, sagt unsere Familienbloggerin. Auch wenn echte Gleichstellung nur mit einer gleich verteilten Elternzeit erreichbar wäre. Aber es gibt auch eine sehr emotionale Seite, was dieses Thema betrifft.

Artikel teilen

Familienblog_Vaterschaftsurlaub

Vom Vaterschaftsurlaub profitieren nicht nur Väter und Kinder, sondern die ganze Gesellschaft, sagt unsere Familienbloggerin.

Keystone

Frauen gebären Kinder. Männer nicht. Das ist ein Fakt. Übrigens zusammen mit der Verteilung der Chromosome – Männer haben je eins in X und eins in Y, Frauen zwei in X – und den Geschlechtsmerkmalen so ziemlich der einzige beweisbare biologische Unterschied zwischen Mann und Frau.

«Gesellschaftspolitisch wenig durchdacht»?

Ebenfalls biologisch bewiesen ist, dass ein Kind nur entsteht, wenn es Mutter UND Vater hat. Und dass dieses Kind zu genau 50 Prozent die Gene eines jeden Elternteils in sich trägt. Warum sollte also, rein mathematisch, die Mutter so viel wichtiger sein für das Kind als der Vater?

«Nun ist es in unseren Breitengraden so: die meisten Leute, die gemeinsam ein Kind zeugen, tun das, weil sie im Partner/der Partnerin die Person sehen, mit der sie alles teilen wollen. Sogar die eigenen Gene.»

Die Mutter trägt das Kind neun Monate lang aus, bringt es zur Welt und stillt es. Ergo hat sie engere Bindung zum Kind, ergo braucht das Kind in den ersten Lebensmonaten vor allem die Mutter, ergo ist ein Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen «gesellschaftspolitisch wenig durchdacht», wie die Gegnerinnen und Gegner der Initiative behaupten.

Wie in einem Boxring

Nun ist es in unseren Breitengraden so: die meisten Leute, die gemeinsam ein Kind zeugen, tun das, weil sie im Partner/der Partnerin die Person sehen, mit der sie alles teilen wollen. Sogar die eigenen Gene. Die Person, mit der sie gemeinsam einen neuen Menschen erschaffen und erziehen. Die Person, mit der sie durch das gemeinsame Kind ein Leben lang verbunden sein werden.

«Kein gemeinsamer Start ins Familienleben, keine gemeinsamen Sorgen, Ängste, Freuden. Und dann wundert man sich, wenn Beziehungen zerbrechen, weil der Vater sich aussen vor gelassen fühlt bei der Mutter-Kind-Bindung.»

Und kaum ist dieser gemeinsame Genpool auf der Welt, kaum gibt es da etwas, das ein Paar mehr verbindet als alles andere, wird diese Gemeinschaft auseinandergerissen. Aufgeteilt in «Mutter und Kind» und «Vater». Wie in einem Boxring. Mami und Baby in die eine Ecke, Papi in die andere.

Kein gemeinsamer Start ins Familienleben, kein gemeinsamer Alltag, keine gemeinsamen Sorgen, Ängste, Freuden. Und dann wundert man sich, wenn Beziehungen zerbrechen, weil der Vater sich aussen vor gelassen fühlt bei der Mutter-Kind-Bindung, und die Mutter sich unverstanden fühlt, weil der Partner keine Ahnung hat, wie stressig die erste Zeit mit einem Baby ist. Soweit zum emotionalen Teil dieser Geschichte.

Es profitieren nicht nur die Väter

Nun zum Geld. Gegnerinnen und Gegner führen ins Feld, dass mit dem Vaterschaftsurlaub «alle für etwas bezahlen müssen, von dem nur wenige profitieren.» Das stimmt so nicht. Denn schlussendlich profitieren von einem Vaterschaftsurlaub viel mehr Leute als nur die Väter. Zum Beispiel die Frauen. Und zwar alle Frauen. Nicht nur Mütter. Auch wenn die allereinzige gerechte Lösung ein gleichberechtigt verteilter Elternurlaub wäre.

«Wenn das Gesetz anerkennt, dass Väter vielleicht doch nicht ganz so unwichtig sind für ihre Familie, tun das unsere Köpfe auch.»

Nehmen wir mal an, ich bin eine Frau um die dreissig, möchte Karriere machen. Kinder möchte ich nicht. Ich bewerbe mich um einen Job. Im Rennen ist ein gleichaltriger Mann mit den genau gleichen Qualifikationen wie ich. Ob ich Kinder möchte darf der Arbeitgeber mich nicht fragen. Vor seinem inneren Auge ploppt bei mir «Mutterschaftsurlaub, vielleicht sogar zwei oder dreimal» auf. Bei meinem Konkurrenten nicht. Tja, dumm gelaufen. Von wegen vom Vaterschaftsurlaub profitieren nur ein paar wenige Väter!

Ein winziger Schritt

Ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub ist ein winzig kleiner Schritt in Richtung Gleichstellung. Winzig. Aber wir nehmen, was wir kriegen. Denn wenn das Gesetz anerkennt, dass Väter vielleicht doch nicht ganz so unwichtig sind für ihre Familie, tun das unsere Köpfe auch. Und irgendwann kommen wir vielleicht sogar drauf, dass ein Fifty-Fifty-Genpool auch Fifty-Fifty-Verantwortung bedeutet.

Mehr von Familien-Bloggerin Sandra C. lest ihr hier.

 

 

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 23. September 2020 - 07:09 Uhr