In der Redaktion der «Schweizer Illustrierten» grassiert gerade ein Virus. Nein, nicht Corona. Schwangerschaft. Irgendwie muss das hoch ansteckend sein. Oder wie sonst soll man sich erklären, dass so viele Frauen gleichzeitig ein Baby erwarten?
Für alle ist es das erste. Was mich innerlich jubilieren lässt, denn endlich, endlich kann ich auch mal mit Besserwissertum brillieren. Und ihr habt keine Chance, euch zu wehren, liebe Kolleginnen, denn ich kann beweisen, dass ich euch in diesem neuen Job, der euch erwartet, einiges an Erfahrung voraus habe. Also, ihr Lieben, ich habe euch Folgendes zu sagen:
«Die Kommunikationsfähigkeit entwickelt sich zwar im Laufe der Jahre, aber eines müsst ihr wissen: ihr werdet auf unbestimmte Zeit nie wieder das letzte Wort haben.»
Ihr seid reingefallen, ihr und eure Partner. Denn nichts, was in diesem Job-Inserat steht, das in euren Köpfen rumschwirrt, ist wahr. Womit seid ihr gelockt worden? Flexible Arbeitszeiten? Homeoffice? Total harmonisches Betriebsklima? Der herzigste Chef der Welt? Gut, letzteres stimmt - egal, ob es sich dabei um eine Chefin oder einen Chef handelt. Aber süss ist halt leider keine Führungsqualität. Apropos: Kommunikationsfähigkeit? Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen? Flexibilität? Empathie? Klar formulierte Erwartungen? Fehlanzeige. Nun ja, woher soll man auch Führungsqualitäten haben, wenn man null Erfahrung hat?
Ich kann es leider nicht anders sagen, aber euer neuer Vorgesetzter bzw. die Vorgesetzte ist die Hölle! Führungsstil: total autoritär. Gerade am Anfang werden keine Widersprüche geduldet. Die Kommunikationsfähigkeit entwickelt sich zwar im Laufe der Jahre, aber eines müsst ihr wissen: Ihr werdet auf unbestimmte Zeit nie wieder das letzte Wort haben. Selbst wenn ihr mal das Gefühl habt, einen kleinen Sieg errungen zu haben – zum Beispiel mit guten Argumenten tatsächlich durchgedrungen zu sein – wird das durch irgendeine blödsinnige Aktion wieder zunichtegemacht.
Es wird noch schlimmer: Auch der Job an und für sich ist echt scheisse. In der Anfangszeit ist das ganz wörtlich gemeint. Dabei ist das noch nicht mal das Schlimmste (aber «kotze» gibts halt nicht als Adjektiv). Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice liegen zwar durchaus drin. Wobei das heisst, dass ihr während eurer gesamten Arbeitszeit – also 24 Stunden pro Tag – flexibel seid und euch jederzeit auf alle Wünsche einstellt. Egal, wie doof die sind. Und ihr könnt euch darauf verlassen, dass exzessives Kotzen, Transporte in den Notfall oder herzzerreissender Liebeskummer niemals zu den offiziellen Zeiten zwischen 9 und 17 Uhr stattfinden.
«Die allerwichtigsten Jobs stehen ausnahmslos genau dann an, wenn ihr es wagt, aufs WC zu gehen.»
Ah, und Homeoffice darf auch im eigentlichen Sinn des Wortes verstanden werden: das gesamte Zuhause wird zum Arbeitsplatz. Privatsphäre? Träumt weiter. Die allerwichtigsten Jobs stehen ausnahmslos genau dann an, wenn ihr es wagt, aufs WC zu gehen (wofür ihr übrigens lange eine Erlaubnis braucht, die es nur in Form von Tiefschlaf des Chefs/der Chefin gibt).
Aber das Beste kommt noch: Es gibt weder Ferien, noch AHV noch einen GAV. Lohn? Klar. In etwa 15 Jahren, wenn ihr euren schwangeren Kolleginnen auf den Babybauch schaut und voller Schadenfreude denkt: «Wenn ihr wüsstet…».
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