Kind 2 kommt vom Coiffeur. Kind 1 schaut, zeigt mit dem Finger auf seinen Kopf und sagt: «Slay». Kind 2, unsicher: «Voll? Dachte, für dich ist das höchtens mid.» Kind 1: «Nei, safe nöd, Dude.» Kind 2: «Tu nicht so, als ob du mich nie random fronten würdest. Voll gottlos.» Kind 1: «Bruuuuh! Ich hab dir ein Kompliment gemacht, Bratan. Nimms an!» Ihr habts vielleicht gemerkt, es ist mal wieder Zeit für eine kleine Lektion in Jugendsprache. Das kommt alle paar Monate mal vor. Da muss ich mir von meinen Kids ihren Sprachgebrauch erklären lassen, damit ich wenigstens hin und wieder mitbekomme, worüber sie überhaupt reden.
Und ich gebe mein Wissen natürlich sehr gern weiter. Also, das wichtigste Wort im Moment und vollkommen zu Recht Jugendwort des Jahres 2022: «slay». Korrekt aus dem Englischen übersetzt bedeutet es «erschlagen». Für die Kids hat es aber einen ausschliesslich positiven Sinn. Den Ausruf «Slay!» könnte man also mit «So toll, dass es einen erschlägt» übersetzen. Das Wort existiert als Adjektiv («das ist so slay!») oder als Verb («das slayt»).
Eine ähnliche Bedeutung hat «smash». Allerdings bezieht sich «der smasht» oder «die ist smash» ausschliesslich aufs Aussehen, während man zum Beispiel bei der letzten Englischprüfung «voll geslayt» haben kann, also eine echt gute Note erreicht. Wenn diese Prüfung als vollkommen unfair empfunden wird, ist sie übrigens «voll gottlos». «Slay» steht über «smash», und beide stehen über «mid» was mehr oder weniger mittelmässig bedeutet.
«Last but not least kommen wir zur ganz hohen Schule der Teenager-Kommunikation: zur Betonung. Genauso wichtig wie was man sagt, ist nämlich, wie mans sagt.»
Laut Kind 1 sind «Bratans» höchstens «mid». «Bratans» sind männliche Teens, die alle gleich rumlaufen: gleicher Haarschnitt, tiefgeschnittene Hosen, Steppjacken. «Bratans» – das weibliche Pendant sind übrigens «Dilaras» (lange, gerade Haare, aufgeplusterte Lippen, weisse Sneaker) – «judgen» (also veruteilen) alle, die nicht so aussehen wie sie, und stempeln sie als «Emos» ab (also psychisch labil, kommt von «Emotionen»).
Laut Kind 1 wird man als «Nicht-Dilara» von einem «Bratan» auch mal «random gefrontet», was «voll asi» ist. «Random» bedeutet zufällig, in diesem Kontext aber eher «aus dem Blauen heraus». Fronten kommt von «confront», also konfrontieren, und bedeutet, jemanden blöd anmachen. «Asi» ist asozial, was in diesem Zusammenhang schlicht doof bedeutet. Wenn dich ein «Bratan» also «random frontet, was asi ist», macht er dich aus dem Blauen heraus blöd an, was total hohl ist. Und wenn Kind 1 dann seiner Freundin erzählt, wie es «random gefrontet» wurde, und sagt, wie «asi» XY ist, sagt die Freundin: «Safe!» zur Bestätigung. Also «Sicher». Oder «ja, klar.» (Geht auch zum Beispiel so: «Hast du die Hausaufgaben gemacht?» – «Safe, was denkst du denn?»)
Last but not least kommen wir zur ganz hohen Schule der Teenager-Kommunikation: zur Betonung. Genauso wichtig wie was man sagt, ist nämlich, wie mans sagt. So ist zum Beispiel ein einfaches «Bruh» (abgleitet von Bruder») das Gleiche wie «Dude», was Kumpel bedeutet und auch so gemeint ist – übrigens auch für Mädchen. Ein langezogenes «Bruuuuh» bedeutet hingegen ein ungläubiges «Was um alles in der Welt ...?» oder «Oh, Mann!» Also, Dudes, alles klar? Safe? Dann slayt ihr gerade gewaltig!