Als Barbie aus der realen Welt zurück ins Barbieland kommt, stellt sie mit Schrecken fest, dass Ken während ihrer Abwesenheit aus ihrer Heimat ein Patriarchat nach dem Vorbild der Menschenwelt gemacht hat. Und ihre Barbie-Kolleginnen? Die liessen sich ziemlich fix davon überzeugen, mitzumachen. Weil es am Ende ja so viel angenehmer ist, den Kens zu Diensten zu sein statt selbst zu forschen, zu operieren, zu verhandeln, zum Mond zu fliegen oder das Land zu regieren.
«Ich glaube mein Zweck im Leben als Frau ist es, meinen Mann und meine Familie zu umsorgen», sagt eine sogenannte «Trad Wife» auf Tiktok. Sie bekommt dafür über 50’000 Likes. «Frauen werden indoktriniert, sich auf ihre Karriere statt auf ihr Heim zu konzentrieren. Aber Männer sollten die Ernährer sein, Frauen sich ums Haus kümmern», sagt eine andere. 204’000 Likes. Eine dritte: «Zu denken, dass Frauen alles können, was Männer können, ist naiv. Männer tun das ja auch nicht.» 40’000 Likes. Und das Nonplusultra: «Frauen wollen das Patriarchat unterstützen – wenn er so nach Hause kommt» zu einem Video eine ölverschmierten Typen mit Tattoos. 206’000 Likes.
«Bei der Gleichstellung – und übrigens auch beim Feminismus – geht es nicht darum, das eine oder andere schlecht zu machen. Es geht darum, die Wahl zu haben. Und es geht um Solidarität.»
Es ist kein Geheimnis, dass das Patriarchat sich seit Urzeiten nicht nur deshalb so hartnäckig als Gesellschaftsform hält, weil die Männer kein Interesse daran haben, ihre Macht aufzugeben, sondern auch, weil die Frauen fröhlich mitmachen. Dass in Umfragen regelmässig ein guter Teil der Frauen angibt, man halte nichts von Frauenförderung und fühle sich vögeliwohl in der Rolle als traditionelle Familienfrau, gibt immer wieder Anlass zu der Aussage, Frauenförderung würde ja eh nichts nützen, weil Frauen gar nicht gefördert werden wollen.
Ist das tatsächlich so? Wollen wir Frauen am Ende gar keine Gleichstellung? Die Antwort: Nicht alle Frauen wollen Karriere machen. Genau wie das nicht alle Männer möchten. Manche Frauen finden ihre Erfüllung in der Rolle der Hausfrau und/oder Mutter. Genau wie manche Männer gern Hausmann und Vater sind – oder wären. Aber bei der Gleichstellung – und übrigens auch beim Feminismus – geht es nicht darum, das eine oder andere schlecht zu machen. Es geht darum, die Wahl zu haben. Und es geht um Solidarität. Nur weil eine Frau selbst nicht Karriere machen möchte, kann sie doch trotzdem eine unterstützen, die das will. Oder ihr zumindest keine Steine in den Weg legen.
Gleichstellung ist übrigens auch nicht gegen Männer. Oder fändet ihr es wirklich so schlimm, wenn ihr nicht mehr als Luschen gelten würdet, wenn ihr Zeit mit euren Kindern verbringen wollt? Oder wenn ihr nicht mehr ständig Schiss haben müsstet, keine richtigen Männer zu sein, weil die Anforderungen, in diese Schublade zu passen, ja doch recht hoch sind? Gleichstellung bedeutet nicht, dass alle müssen. Oder dass alle wollen müssen. Aber das alle, die wollen, die Chance haben, es zu versuchen. Was immer «es» auch sein mag.