Liebe Anja Wyden Guelpa
Was für ein fulminanter Start! Erst seit Mitte Juni Präsidentin der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF). Und schon Schlagzeilen! 38 Wochen bezahlte Elternzeit postulieren Sie. Gerade jetzt, wo das Parlament über den Vaterschaftsurlaub entscheiden muss. Was für ein Timing!
Cool lächelnd erklären Sie, dass ein derart utopischer Vorschlag «absolut angemessen und schweizerisch besonnen» und durch wissenschaftliche Vergleichsstudien belegt sei. Das durchschnittliche OECD-Land gewährt frischgebackenen Eltern 54 Wochen bezahlten Urlaub. Die Schweiz ist hintendrein. Dass Sie jetzt den Knochen möglichst weit werfen, damit wenigstens eine bescheidene Lösung für den Vaterschaftsurlaub durchkommt, ist ein genialer Schachzug. Das lässt sogar eine künftige politische Karriere erahnen.
Schon acht Wochen wären wohl eine echte Qual für Sie, oder?
Wer Sie kennt, weiss, dass von Ihnen, der zweisprachigen Politologin und Mutter von zwei Kindern, noch viel zu erwarten ist. Ich weiss noch, wie wir Journalisten uns fragten, als Sie 2009 Staatskanzlerin des Kantons Genf wurden, ob man schreiben darf, dass Sie wie ein Hollywood-Star aussehen. Natürlich durfte man. Damals! Sie haben neun Jahre lang bewiesen, dass Sie mehr können als andere, ein Beziehungsgenie sind und eine gut organisierte Managerin mit Nerven.
Aber eins nehme ich Ihnen nicht ab: dass ausgerechnet Sie gerne 34 Wochen Elternurlaub nähmen… Sie schlafen nur fünf Stunden, machen um sechs Uhr morgens Yoga, arbeiten lächelnd rund um die Uhr und erholen sich nur mit kurzen Powernaps, sogar beim Zahnarzt. Schon acht Wochen wären wohl eine echte Qual für Sie, oder?
Mit freundlichen Grüssen
Peter Rothenbühler