Wer schon einmal durch Südostasien gereist ist, hat früher oder später davon gehört: Vang Vieng. Das Örtchen in Laos, in dem sich Reisende aus der ganzen Welt kollektiv die Kante geben. Wo sie in Gummireifen den Nam Song runtertreiben und mit etwas Glück irgendwann – nach etlichen Stops in Bars am Flussufer - den Ausstieg finden. Um sich dann mit einem Happy Shake, einer Opium-Pfeife oder kübelweise Drinks den Rest zu geben. Sodom und Gomorra des Dschungels eben. Also ungefähr so:
Schon in Bangkok kursiert jedoch das Gerücht, das legendäre Tubing sei GESCHLOSSEN! Über 20 Leute seien dieses Jahr schon gestorben, drei alleine vergangene Woche. Wie, das weiss keiner so genau, die Möglichkeiten scheinen in Anbetracht der Gefahren allerdings endlos.
Da Summer und ich aber nicht auf jeden dahergelaufenen Australier (in pinken Shorts) hören, steht unser Plan weiterhin. Und da wir Vientiane nach einer Runde um den Block ja gesehen haben, - ihr wisst schon: Baguettes – ziehen wir also weiter Richtung Verderben.
Schulreise statt Gruppensex
Als wir nach drei holprigen Stunden mit unseren neuen Freunden (3 Spanier, 4 Engländer, 1 Amerikaner, 1 Schweizer, 1 Laote) den Minibus verlassen, können wir erst nach mehrmaligem Nachfragen glauben, dass wir jetzt wirklich in Vang Vieng sind. Da, wo die Strassen angeblich voller betrunkener, zugedröhnter Menschen sind, herrscht gähnende Leere. Nur «Friends» und «Family Guy» scheinen dem Kaff geblieben zu sein, die quäkenden Stimmen hängen wie Geister in den verlassenen Gassen. Die Gummireifen gammeln stapelweise vor sich hin und die Guesthouse-Besitzer scheinen derart verzweifelt, dass sie ihre «Villen» am Fluss zu Spottpreisen verscherbeln. Zum Glück kann man sich in solchen Fällen stets auf den Backpacker-Zusammenhalt verlassen. In Nullkommanix haben die jungen Engländer herausgefunden, dass tatsächlich alle Bars am Fluss geschlossen sind, dass man aber durchaus immer noch tuben darf. Und die Briten wären keine Briten, wenn sie nicht in der gleichen Sekunde den Minimarkt mit Bier, Schnaps und weiteren obligatorischen Tubing-Zutaten entdeckt hätten.
So treiben Summer, ich und unsere Reisegruppe nur Minuten später in der braunen Brühe, die sich Fluss nennt. Vorbei an Holzbauten, aus denen sonst Ballermann-Musik dröhnt, vorbei an der «Todesrutsche», die so überflüssig ist wie eine Skisprungschanze in einem laotischen Dorf nur sein kann. Vorbei an der «Last Bar», dem Ort, an dem sonst die Besoffenen aus dem Wasser gefischt werden und der jetzt mehr lost denn last ist. Wir trinken Bier aus Dosen, Whiskey-Cola aus Pet-Flaschen und müssen trotz aller Bemühungen nach einer Stunde eingestehen: Es ist langweilig. Und kalt. Irgendwie ein bisschen so, wie wenn man sich in Schaffhausen alleine in einem Reifen den Rhein heruntertreiben lassen würde. Nur matschiger.
Die restlichen Vang-Vieng-Eindrücke möchten wir – in Anbetracht des Fehlens der Hauptattraktion – nun in einer Kurzzusammenfassung präsentieren:
Polizei
Als die Behörden entschieden haben, gegen das gefährliche Tubing vorzugehen, haben sie offenbar auch entschieden, jegliche weiteren Sünden aus dem Dorf zu verbannen. Wir beobachten mehrere Razzien in Guesthouses, bei denen junge Touris aus den Zimmern geholt werden. Zurückgelassen haben sie darin entweder Drogen oder käufliche Frauen.
Bars
«See you at Full Moon» wird zum Mantra. Es scheint die einzige Bar in Vang Vieng zu sein, die abends noch Musik spielen darf und sogar alkoholische Getränke ausschenkt. Schon am zweiten Abend hat der Aufenthalt im Full Moon deshalb etwas von einer Klassenzusammenkunft. Oder von einem Weihnachtsapéro (siehe Bild). Für den Weihnachtsapéro spricht übrigens auch, dass der betrunkenste aller Gäste der Chef ist.
Männer
Die armen Kerle, die sich neue Strichli in ihrem schwarzen Büchlein erhofft haben...sie sind überall und sie sind verzweifelt.
Sex
Wenn die Auswahl fehlt, sinken die Hemmungen. Summer und ich werden Zeuge von schlimmen Szenen in Duschen, auf Balkonen, in offenen Zimmern. Dass wir die Protagonisten dabei alle mit Namen kennen (wir sind ja nur 20 Touris hier), macht die Sache noch schlimmer. Und vor allem komplizierter: Hat Evan jetzt mit Jane und mit Catherine? Oder war es gestern mit Rita und heute war Jane mit Robbie? Ach, wie sagen sie hier alle so schön: «It doesn’t matter.» Das einzige, was wirklich stört, ist, dass «Family Guy» nebst der «Friends»-Konkurrenz jetzt auch noch gegen Klopf- und Tätschellaute ankämpft. Mit entsprechender Lautstärke.
Dorfplatz
Es gibt da so eine Ecke, die ist wie die Piazza eines italienischen 500-Seelen-Dorfes. Man trifft sich morgens, mittags, abends, nachts, beichtet Sünden, trinkt Bier, lästert und tratscht. Wir haben zudem das Glück, dass wir Janes und Ritas griechischen Sexgott (den wir bisher nur akustisch kennengelernt haben) in Fleisch und Blut betrachten können.
Lagune
Wenn die stinkenden Tubing-Kleider noch immer zum Trocknen auf dem Balkon hängen, kann man da im Bikini die saubere Badevariante geniessen. Selbstverständlich unternimmt man auch diesen Spass nur mit Jane, John, Robbie und wie sie alle heissen...«Friends» halt.
Ja, im «geschlossenen» Tubing-Mekka kann man echt relaxen. Ein erfahrener Vang-Vieng-Gänger aus Deutschland beschreibt die Situation so: «Diesem Örtchen geht es wie mir, wir werden reifer. Früher war ich eine Woche dauerblau, kotzte noch im Ring sitzend in den Fluss und erinnerte mich kaum an meinen Aufenthalt. Heute, und es ist jetzt 2 Uhr morgens, kann ich sogar noch mit euch sprechen.»
Das finden wir ganz wunderbar und verweilen deshalb noch ein bisschen im Dschungel. Bevor wir die Busreise nach Luang Prabang in Angriff nehmen...ein Trip, von dem man sich auf dem Dorfplatz übrigens ganz schlimme Dinge erzählt.