Das Leben wird in der Schweiz so möbliert, dass es sich zu einer kuschligen Komfortzone verwandelt. Alles wird so eingerichtet, dass wir uns auf gar keinen Fall mittelmässig fühlen sollen. Als würden wir in einem perfekt temperierten, mit Massagedüsen in Steissbeinhöhe bestückten Whirlpool leben. Weil ich dessen aber überdrüssig wurde und ungepolstertes Leben sehen wollte, bin ich von meinem Sprudelbad-Dasein in Zürich nach Berlin gezogen, um hier als Texterin in einer Agentur Nachtschichten und harsche Kritik zu verheiraten, bzw. als fixen Bestandteil in mein Leben zu flechten.
Kaum zu glauben, wie herrlich unverrückt es in einer Kreativ-Unit zu und her geht. Wir sagen Unit statt Team. Denn das klingt irgendwie schon massiv viel wichtiger. Hier gibt es keine Ping-Pong-Tische, keine Rutschbahn und montagmorgens keine verstrahlten Berghain-Geschichten. Dafür sind die Tage gespickt mit unnötig langen Sitzungen und Briefings. Die Büroräume sind gross, hell und gefüllt mit hippen jungen Menschen, Skateboards und schienbeingrossen Hunden.
In Agenturen wird wohl auch sehr viel gewartet. Sehr, sehr viel. In den zwei Monaten Agency-Life habe ich mein «Ich bin sehr beschäftigt am LapTop»-Gesicht perfektionieren gelernt. Da das Weiterarbeiten häufig von Entscheidungen der Creative Directors abhängt, scrollt man in der Zwischenzeit zwangsläufig stundenlang durchs Internet.
Beim Durchklicken von YouTube-Videos und 9Gag versuche ich, meine Augen so zusammenzukneifen und in sinnvollen Abständen ein nachdenkliches Nicken nachzudoppeln, dass es nach Arbeit und nicht nach Zeit Totschlagen aussieht. Ausserdem merkte ich hier sehr schnell, dass kreatives Arbeiten gar nichts mit Kreativität an sich zu tun hat, sondern mit Frustration, bzw. das Überwinden derer.
Man brainstormt nicht mit einem Rubik’s Cube in der Hand und den Füssen auf dem Tisch an Ideen herum. Vielmehr starrt man in seinen Bildschirm und feilt stundenlang an einem einzigen Satz. Nur um dann die ganze Arbeit ein zweites, drittes und viertes Mal zu machen. Stoisch ertrage ich die hochgezogenen Augenbrauen meines Senior-Texters, wenn er kopfschüttelnd meine Headlines überfliegt und keine es in die nächste Runde schafft.
So geht das dann weiter, bis er irgendwann drei (drei, NUR DREI VON 7900) Headlines durchwinkt. Diese hart erarbeiteten und mit viel Hirnschmalz produzierten Zeilen verschwinden dann irgendwo im Transfer des Creative Directors und waren nie mehr wiedergesehen. Denn egal wie vermeintlich «grandios» meine Einfälle waren, der CD schreibt es dann einfach selber nochmal, wofür er einen Bruchteil der Zeit benötigt, und natürlich wird das Ergebnis achtzigmal besser.
So ignorieren dann alle im Kollektiv, dass jemals jemand anderes unzählige Stunden daran gearbeitet hat. Ich dachte, ich wisse, wofür ich das Ganze mache, aber irgendwie schwindet meine Grundidee, die mich nach Berlin getrieben hat.
Ich mag eigentlich doch den Weg des geringsten Wiederstandes. Ich trage etwa Dutt, um nicht ständig meine Haare waschen zu müssen, und ich lackiere meine Nägel nicht, weil das jeden dritten Tag Aufwand bedeutet. Ich liebe faule Sonntage genau wie Geschirrspüler, und ich liebe die Komfortzone. Sehr. Man muss sie wohl einfach ab und zu aktiv verlassen, um zu merken, wie grandios und gemütlich sie ist und dass es eigentlich keinen Grund gibt, ihr den Rücken zu kehren.