Da klopfte das Zürcher Herz bereits ab der ersten Minute: Meinen Sonntagabend verbrachte ich im Herzen Graubündens. Der Spielfilm «Amur senza fin» auf SRF1 zeigte den ersten professionellen rätoromanischen Fernsehfilm. Rätoromanisch. Hach. Da schmelze ich.
Es geht um die Ehe von Mona (gespielt von Rebecca Indermaur) und Gieri (Bruno Cathomas), bei denen im Bett nichts mehr läuft. Kurz nach dem 20. Hochzeitstages tritt im bündnerischen Dorf der neue, indische Gemeindepfarrer (Murali Perumal) sein Amt an. Der motiviert die dörfischen Frauen, über ihre Eheprobleme zu reden und dementsprechend zu handeln. Kamasutra lautet sein Lösungsansatz. Gleichzeitig wird klar, dass Gieri seine Frau mit Giulia (Tonia Maria Zindel) betrügt. Mona erwischt die beiden auf der Damentoilette und zieht folglich aus dem Familiennest aus.
Der Film zeigt weiter Monas Weg in ein selbstbestimmtes Leben: Mona eröffnet endlich das Café, das sie sich schon so lange gewünscht hatte und lernt dabei, sich selbst zu lieben. Zeitgleich spielt sich das Drama um den Pfarrer ab, der als Ehezerstörer an den Pranger gestellt wird. Bösewicht des Films: Die katholische Kirche, der dieser exotische Pfarrer ein Dorn im Auge ist.
Am Ende ist der Pfarrer zwar weg, der Sex jedoch kehrt in die dörfischen vier Wände zurück. Mona und Gieris Ehe ist gerettet und das ganze Dorf will jetzt Kamasutra «lesen». Natürlich könnte der Ansatz, dass der Inder Kamasutra predigt, kaum klischeebehafteter sein. Dennoch störte ich mich an diesem Detail nur gerade einmal ein paar Minuten lang.
Nach dem Film dachte ich mir: Welch ein Schnüggel-Film! So viele «Jööö»- und «Awww»-Momente hatte ich vor dem Fernseher schon lange nicht mehr. Eine so lebendige und nicht zu verkrampft kreative Geschichte mit so viel liebevoller Swissness entzückte mein Herz. Moderne Alltagsprobleme, umgesetzt in dieser kleinen, urschweizerischen Welt mit Holzofen und Sonntagsgottesdienst.
Und dann dieses Rätoromanisch. Auf Rätoromanisch könnte ich mir stundenlang Staubsauger-Werbesendungen anschauen. Auf Rätoromanisch dürfte man mir Anlageberatungen anbieten und ich würde zusagen. Rätoromanisch darf alles.
Obwohl mir das Dorfleben ferner nicht liegen könnte, behaupte ich dennoch, dass mir «Amur senza fin» einen relativ guten Einblick in diesen kleinen Lebensraum gewährt hat: Der Mann von Giulia ist gleichzeitig der Bankier des Dorfes. Giulia ist nicht nur die Geliebte, sondern auch die Leiterin der örtlichen Yoga-Schule. Der Chef-Jäger ist irgendwie auch Gemeinderatsvorsitzender und die beiden Männer, die sich periodisch dieselbe Frau teilten, jagen im gleichen Trio. Alles etwas verzwickt in diesem Dorf. Da sitzen alle so sehr aufeinander, dass da schon mal einer zu tief in der anderen stecken bleiben kann, dachte ich mir mit meiner arroganten Züri-Seele.
Nach diesem TV-Erlebnis wollte ich mich zwar nicht durchs Kamasutra turnen, spürte aber ein grosses Verlangen nach Bergluft und einer Ferienwohnung mit quietschendem Holzboden. Auf Rätoromanisch könnte man mir jedoch beides verkaufen. Und ich würde bei beidem «Ja» sagen.