Sie kennen dieses Gefühl bestimmt: Man will nur mal schnell einen neuen Beistelltisch kaufen gehen, ansonsten ist man mit seinem Zuhause total zufrieden. Und nach vier Sekunden Möbelhaus fühlt man sich, als würde man in einer verwahrlosten RTL-Reality-Wohnung hausen und ist sich seiner selbst nicht mehr würdig.
Wenn ich mich an einem normalen Tag in meinem Daheim so umschaue, nicke auch ich und klopfe mir gedanklich auf die Schulter. Am Samstagabend schaute ich mir dann in meiner süssen Wohnung mit liebevollen Details «Wer wohnt wo?» auf SRF1 an.
Wer moderiert's? Na, der Epiney!
Fünf Teilnehmer, welche gemeinsam durch fünf Wohnungen oder Häuser streiften. Die Teilnehmer mussten die Häuser oder Wohnungen den Mitstreitern zuordnen, der dort Lebende musste während der Besichtigung schauspielern. Moderiert von – raten sie mal – Sven Epiney, 46.
Exzessives Wohnen wurde da vorgestellt, da fielen mir fast die Augäpfel aus dem Kopf. Sport-Einrichter, Profi-Einkäufer oder Tapeten-Junkies müssten in solchen vier Wänden leben.
Ich mache etwas falsch
Dabei waren die Kandidaten so unfassbar normal, dass ich mir zum Schluss fast eingestehen musste, dass wohl ich etwas falsch mache in meinem Leben.
Die Kandidaten:
- Dorothée, 38, Yoga-Lehrerin
- Gaby, 64, Rentnerin
- Peter, 54, Vertreter
- Stefan, 52, Fotograf
- Thomas, 42, strategischer Planer
Die Behausungen:
- Übergeiles Loft in einer ehemaligen Schuhfabrik
- Abartiges Duplex mit Designermöbeln
- Französisches Landhaus mit Pferden (PFERDEN!)
- Katalog-Familienhaus mit so vielen liebevollen Details, dass es meine Kindheit beschämte
- Eine umgebaute Scheune, die man erfinden müsste, gäbe es sie nicht bereits.
Die sich fremden Menschen schnupperten fremde Wohnluft und machten sich ans Rätsel «Wer wohnt dammisiech nonemal in dieser Traumhütte!?»
Anders als bei ähnlichen deutschen Produktionen wurden persönliche Gegenstände weggeräumt, sodass potenziell peinliche Funde dort blieben, wo sie hingehören: Nicht ins Fernsehen.
Auch wenn die Wohnungen und Häuser, die vorgestellt wurden, fern jeder mir bekannten Realität entsprachen, wars trotzdem wahnsinnig nett an- und reinzuschauen.
Alles ein biz zu steril
Dennoch waren mir die Hütten etwas zu katalogig hergerichtet. Etwas zu steril, etwas zu viel rechter Winkel, etwas zu viel Hochglanz. Da kann man sich danach nur schäbig fühlen.
Doch es war eine liebenswürdige und ästhetische Samstagabendunterhaltung, auf die viel Selbsthass folgte. Ich will jetzt nicht nur einen neuen Beistelltisch, sondern ein Landsitz mit belgischen Fenstern, Wintergarten, industriell angehauchter Küche und Designer-Sofa.
Die Yoga-Lehrerin im Pferdetraum
Ich will mir jetzt auch die Haare schneiden, Ziegen grossziehen und Backen lernen. Und ich möchte neue Freunde, die gerne Martini trinken. Nur Sven Epiney bleibt.
Die Yoga-Dorothée konnte übrigens als Einzige alles richtig zuordnen. Gewonnen hat sie einen Hotelaufenthalt mit Wellness. Yoga-Dorothée selbst wohnt im französischen Pferdetraum. Wer braucht da noch Wellness...