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Joëlle schaut fern

Ballermann-Trash bei «Adieu Heimat»

TV-Kolumnistin Joëlle Weil bekam Kopfschmerzen, als sie Partysänger auf Mallorca im einheimischen Fernsehen sah. Und diesen schmerzenden Kopf musste sie während der ganzen Sendung ungläubig schütteln, die Arme. 

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Isa

Cowgirl Isa freut sich auf ihre glanzvolle und stilreiche Zukunft zwischen Alkoholleichen und betrunkenen U20ern. 

Screenshot 3+

Manchmal glaube ich ja, dass ich als Schweizerin vor einem gewissen TV-Trash-Genre verschont bleibe. Doch 3+ zeigte mir am Donnerstag bei «Adieu Heimat», wie sehr ich mich doch geirrt habe. Ich dachte immer, dass es noch eine kleine, feine Linie zwischen Deutschland und uns gäbe. Und obwohl ich mir den deutschen TV-Trash gebe, war einheimisches Fernsehen immer ein kleiner, spiessiger Zufluchtsort. Nichts da!

Eine von uns am Ballermann

Der Ballermann... Erklären muss man wohl keinem Menschen mehr, was das ist. Als Zuschauer hat man bereits seit Jahren das Gefühl, dass Mallorca der verlängerte Arm Deutschlands ist. Ich habe am TV schon Dutzende Deutsche bei ihrer Auswanderung auf die Insel begleitet und nun wagt es tatsächlich eine Schweizerin dorthin. Mein Kopfweh heisst «Cowgirl Isa». 

Isa

Mit Perücke und Megafon macht Cowgirl Isa am Strand auf sich aufmerksam. So viel Klasse auf einem Bild...

Screenshot 3+

Isa ist 39 Jahre alt, hat schon bei «Bauer, ledig, sucht..» mitgemacht. Eine kleine Rampensau. Auf Mallorca will sie nun Partysängerin werden. Warum dies ein erstrebenswerter Beruf sein soll, ist und bleibt mir schleierhaft. Bauernhof gegen besoffene Touristen austauschen, kratzt in meinen Ohren.

Klaustrophobie und Alkoholrausch... igitt!

Die überdrehte Isa will das aber so und möchte im Bierkönig auftreten, auf Mallorcas grösster und wichtigster Partybühne. Alleine vom Zuschauen machten sich bei mir Klaustrophobie und das Gefühl breit, meine Haare würden nach Bier riechen.

Nun bin ich keine Musikkritikerin. Müsste ich den Song jedoch kurz beschreiben, dann so: Wen ein Memory-Spiel mit zwei Karten herausfordert, wird diesen Song lieben.

Als wäre dies nicht genug, wird sich nächste Woche auch noch Nackt-Djane Micaela Schäfer zu Isa gesellen...

Isa hat aber wenigstens gute Laune und ist kein Drama-Auswanderer, von denen es im Fernsehen weiss Gott genug gibt. Die macht das alles aufgestellt und erwartungslos, das muss man ihr lassen.

Viel Drama um Nichts

Yvette und ihr Freund Tomi, die es nach Südafrika zog, erleben eine etwas andere Auswanderung. Die beiden bauen Container zu Hühnchen-Brat-Stationen um. Also so bissl Foodtruck. Vielleicht ist der Zusammenschnitt der Sendung nicht sonderlich geglückt, aber auf mich wirkte Yvette belastbar wie ein Streichholz. Die Gute heult rum, weil eine Kassiererin krank ist, ausgerechnet an dem Tag, an dem Tomi landet. Erkennen Sie das Drama? Ich auch nicht. Aber «the struggle was real».

adieu heimat

Yvette weint. Warum genau, keine Ahnung. Aber es muss mal raus. 

Screenshot 3+

Die Wohltäter kommen

Und da war noch Roman, der mit seiner philippinischen Frau und den beiden kleinen Töchtern in die Philippinen auswanderte. Etwas mehr als tausend Franken Spendengelder hat das Paar aus der Schweiz für die Kinder im Dorf mitgebracht. Die örtliche Schule feiert die beiden, als hätten sie das letzte Einhorn gerettet. Bestimmt ist das sehr viel Geld für eine ärmliche, ländliche Region. Und bestimmt sind Menschen, die so was machen, tolle Kreaturen mit dem Herz am richtigen Fleck. Aber grad so einen Aufstand... Roman richtet ein paar Worte auf Englisch an die Schüler und kein einziges der anwesenden Kinder verstand auch nur ein Komma.

Adieu Heimat

Roman geniesst sein erstes philippinisches Zmorge, angerichtet von der lieben Schwiegermutter, bei der die Familie jetzt drei Jahre lang leben wird. 

Screenshot 3+

Dünkten mich alle etwas inszeniert, die Dramen. Oder schlecht geschnitten. Oder mittelmässig inszeniert und mittelmässig geschnitten. Nur Trash-Isa tat diese mittlere Qualität gut. Und wenn ich ehrlich bin, ist auch sie der einzige Grund, weshalb ich wieder reinschauen würde. Real Trash gewinnt eben, weil echt, trotz Trash.

Von Joëlle Weil am 14. März 2019 - 21:30 Uhr