Ich bin tatsächlich um ein Vielfaches ignoranter, als ich mir selbst zugetraut habe. Da denke ich, ein aufgeschlossener Mensch zu sein, der um die Probleme dieser Welt Bescheid weiss, und trotzdem weiss ich nichts. Oder war euch etwa bekannt, dass es unter Schlager-Sängern ein echtes Single-Problem gibt? Eben! Gott sei dank hat sich RTL dieser Problematik angenommen und zeigt nun am Sonntagabend bei «Schlager sucht Liebe», wie Schlager-Stars sich zu verlieben versuchen.
Vergesst ab heute Amnesty International, Greenpeace, WWF... Diesem neuesten Problem müssen wir uns zusammen mit RTL stellen, gemeinsam mit Sängerin Beatrice Egli, 30. Sie moderiert die Sendung, spielt Schlager-Kupplerin und weiss aus eigener Erfahrung um das Leid eines schlagersingenden Singles. Das Prinzip der Sendung ist schnell erklärt: Die vier Kandidaten durften sich aus allen Bewerberinnen und Bewerbern zwei aussuchen, mit denen sie dann ein paar Tage verbringen, in der Hoffnung, dass daraus die grosse Liebe wird. Das wars schon.
Obwohl mich Briefmarkensammeln mehr interessiert als Schlager, kannte ich zwei der Sänger tatsächlich. Das hat mich sowohl erstaunt, als auch schockiert. Der eine ist Tim Toupet, der «Du hast die Haare schön» oder «Ich bin ein Döner» singt. Der andere ist Oliver Frank, von dem der Song «Italienische Sehnsucht» stammt. Die anderen jedoch habe ich im Leben noch nie gesehen und bis Sonntagabend noch nie gehört. Meine Ohren fanden die jahrelange Schonzeit nicht so schlimm.
Was mir schnell auffiel, war der sich immer wiederholende Satz aller Schlager-Sänger: «Und nach dem Auftritt wartet keiner in der Kabine, der mich umarmt.» Da komme ich nicht umhin zu fragen: Sucht ihr einen Partner oder einen Fan, der in der Umkleide wie ein Schrank auf euch wartet? Mich umarmt nach einer Redaktionssitzung auch keiner und sagt mir, wie toll ich das gemacht hab. Und ich verspreche euch: Auch mein Automechaniker hat nach einem erfolgreichen Reifenwechsel keinen Partner, der hinter der Hebebühne mit Blumen hervorspringt.
Die Liste der Ansprüche an die potenziellen Partner ging dann in etwa so weiter: «Er/sie muss mit meinem schnelllebigen Alltag zurechtkommen.» Und: «Er/sie darf nicht eifersüchtig sein.» Irgendwann, als ich all den Sängern beim Klagen zugehört hab, dachte ich mir: Wenn jeder Präsident der USA eine Beziehung führen konnte, dann kann das doch auch ein Schlager-Sänger. Dann ist man eben viel unterwegs und hat weibliche Fans, die sich ein Autogramm auf den Busen wünschen. Muss man sich deshalb abends die Füsse allein massieren? Warum dem Beruf die Schuld am Singledasein in die Schuhe schieben?
Nach einem kurzen Abend mit Egli und ihren kleinen Freunden hält sich mein Mitleid und Mitgefühl für die Schlager-Stars in Grenzen. Ich würde mich aber nicht wundern, wenn die Heilsarmee im Dezember für die «Du bist ein Döner»-Stiftung sammelt.