Ich habe mit Religionen nicht viel am Hut. Mit Sekten schon gar nicht. Seit ich jedoch die Dokumentation «My Scientology Movie» von Louis Theroux gesehen habe, lässt mich die Psycho-Sekte nicht mehr los. Und deshalb stehe ich heute mit meiner Journi-Kollegin Nicole vor dem Informationszentrum der Scientology in Hollywood.
Mit einem mulmigen Gefühl betreten wir das Gebäude und werden von einer hübschen, jungen Frau namens Jessica empfangen. Nach nur wenigen Sekunden will sie bereits, dass wir unsere Personalien auf ein Blatt kritzeln. Das fängt ja gut an. «Sara Mueller», schreibe ich hin und schiele zu Nicole rüber, die sich den Namen «Michelle Mueller» gegeben hat. Na toll! Von all den vielen Nachnamen, die existieren, wählen wir genau denselben aus. Überhaupt nicht auffällig.
«Ich fühle mich unwohl»
«Was macht ihr beruflich?», will Jessica wissen. «Wir sind Nannys und seit zwei Monaten hier in L.A.», lüge ich. «Willkommen bei Scientology!», strahlt sie uns an und will uns sogleich den berühmt-berüchtigten Persönlichkeitstest andrehen. Uiiii! Lieber nicht! Wir lehnen dankend ab und werden vor einen Fernseher bugsiert. «Wir haben diverse Videos, die euch Scientology näher bringen. Macht es euch bequem.»
«Ich fühle mich unwohl», flüstert mir Nicole zu. Mir geht es genau so. Irgendwie fühle ich mich beobachtet. Im Info-Film gehts darum, wie toll Scientology ist - ein reinster Werbefilm, den man nicht besser hätte produzieren können. Die Protagonisten könnten allesamt als Models durchgehen. Sowieso ist alles hier extrem schön eingerichtet, steril ist das richtige Wort. Diese Kirche hat Geld, ohne Frage.
Ein Lügendetektor für Verhöre
Wenige Minuten später führt uns Jessica zum «E-Meter». Einen Apparat mit Zeigern, an dem zwei Aluminium-Dioden befestigt sind. Das Gerät reagiert auf elektrische Impulse an der Hautoberfläche. Damit können Scientologen im Unterbewussten gespeicherte Erlebnisse aufspüren. Sprich, ein Lügendetektor für Verhöre, Diagnosen und Therapien.
«Denke an etwas, was dich gerade belastet», fordert mich Jessica auf. Der Zeiger schlägt aus. «Wow! Dich muss etwas wirklich beschäftigen», stellt sie fest. Dass ich an meine dreckige Wäsche gedacht habe, erwähne ich nicht.
Jessica drückt uns ein paar DVDs, Broschüren und Tickets fürs Museum über Scientology-Gründer L. Ron Hubbard in die Hand, welches sich ein paar Strassen weiter befindet. Wir bedanken uns und ziehen Leine.
«Ein mulmiges Gefühl»
Läck, das war schräg. «Ich fühle mich komisch», sage ich zu Nicole. «Das alles ist so unheimlich, ich habe ein mulmiges Gefühl», gesteht sie. «Ich habe mich so beobachtet gefühlt. Hatte das Gefühl, die Luft dort drin hat sich verändert. Vielleicht haben die irgendwelche Essenzen in der Luft, die einen glücklich machen.»
Ein paar Minuten später stehen wir vor dem besagten Museum. Wir überwinden uns abermals und werden von einer älteren Frau begrüsst, die uns bittet, eine Viertelstunde zu warten. «Das ist doch ein Museum?», fragt Nicole. «Ja, aber es gibt nur geführte Touren», kriegen wir zur Antwort. Soso. Wir machen es uns auf einer Polstergruppe bequem und wieder habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Bis Rein auftaucht, eine zierliche und total überdrehte Asiatin.
«Wer hat euch geschickt?», will sie wissen. «Wir waren gerade im Info-Zentrum», antworten wir. Und wieder frage ich mich, was diese Fragerei soll.
Vergoldete Wasserhähne im WC
Sowieso werden wir dauernd ausgequetscht. Wie wir von Scientology erfahren haben, ob wir mit den Lehren von L. Ron Hubbard vertraut sind, wie wir unser Geld verdienen. Apropos Geld. Alles hier ist vergoldet, sogar die Wasserhähne im WC. Prahlen können sie, die Scientologen. Alles ist super, alle haben sich lieb, die Welt ist wunderschön und jede Person ist einzigartig, so wie sie ist.
Eine halbe Stunde lang werden wir zugetextet über das ach so tolle Leben von L. Ron Hubbard, einem Science-Fiction-Autor und Weltenbummler, der die Welt veränderte und ein Vorbild für Millionen von Menschen ist. Zum Schluss müssen wir uns abermals einen Film reinziehen, bei dem uns zum x-ten Mal klar gemacht werden soll, dass Scientology die Lösung für alle Probleme ist.
Die Begeisterung ist ansteckend
Es fällt mir schwer, einen klaren Kopf zu bewahren. Obwohl ich mir vorher gesagt habe, die schaffen es nie und nimmer, mich auch nur ansatzweise zum Nachdenken anzuregen - sie haben es geschafft. Die Begeisterung ist ansteckend. Und vieles, was ich heute zu hören gekriegt habe, ist nachvollziehbar. Bisher habe ich immer gedacht, man muss schon ziemlich labil und leichtgläubig sein, um einer Sekte zu verfallen. Heute wurde ich eines besseren belehrt. Die wissen, wie man potentielle Mitglieder ködert.
«Kommt wieder, ihr seid jederzeit herzlich willkommen», ruft uns Rein noch nach, als wir bereits wieder draussen an der frischen Luft stehen. «Das war heftig», sind Nicole und ich uns einig. Nicht umsonst ist Scientology eine der gefährlichsten Sekten der Welt. Sie manipuliert, drangsaliert, terrorisiert. Macht Menschen zu wehrlosen Opfern, verbreitet Angst und Schrecken. Ich schmeisse all die DVDs und Broschüren weg und atme einmal tief ein und aus.