«Fragst du das im Ernst?» Ungläubig schaute ich zu meiner Freundin und Geschäftspartnerin Esther, die einen Spiegel montierte. Ich sass am Boden, mit weisser und grauer Zementbodenfarbe verspritzt, tauchte den Pinsel ein und rieb die Farbe energisch in den unebenen Boden ein.
«Ja, ich meine es ernst. Was hat dich die letzte Woche beschäftigt? Darüber musst du schreiben, nicht über das, was sein könnte und doch nicht ist», sagte Esther. Ich hatte mich beklagt, dass mir jegliche Ideen fehlten für die Kolumne, die ich abzuliefern hätte.
Ich würde ja nur noch Wände und Böden bepinseln, abkleben («das WC hast du aber nicht abgeklebt», lachte Esther, die den von mir produzierten Farbrand wegzuputzen versuchte), Offerten einholen, Preise verhandeln, Finanzpläne erstellen, daneben jäten und mähen und mir die Texte für die Homepage aus den Fingern saugen, damit wir endlich online gehen könnten.
Daneben käme ich nicht mehr dazu, in die Welt hinauszugehen, um unterwegs zu sein, wie meine Kolumne ja überschrieben sei: «Unterwegs mit Susanne Hochuli».
Im Moment meiner Klage waren wir beide damit beschäftigt, mit wenig, aber wirksamen Mitteln und Handgriffen das Stall- in ein ansprechendes Personal-WC und den Abstellraum in eine den Lebensmittelvorschriften gerechte Vorratskammer zu verwandeln.
Vertieft in unser Tun, arbeiteten wir Hand in Hand, lachten, wenn etwas nicht gleich klappte, und gaben uns gute Tipps, freuten uns daran, wie alles schöner, sauberer und «amächeliger» wurde; ja, und wir waren stolz auf uns, zufrieden mit unseren handwerklichen Künsten und all den Ideen, die eine um die andere umgesetzt wird.
Seis, indem wir selber Hand anlegen und uns von unserem afghanischen Angestellten Ismail helfen lassen, der ein goldenes Händchen und ein grosses Herz hat. Sei es, indem wir unsere Gedankenarbeit in Plänen fürs Elektrische, der Kücheneinrichtung oder dem neu anzulegenden Garten enden lassen.
«Was wir hier tun, ist doch gerade ein wichtiger Teil in unserem Leben», sagte Esther. Seit Monaten beschäftigen wir uns mit Baueingaben, besprechen Pläne und Konzepte und versuchen uns vorzustellen, wie es sein wird, wenn im Kochstudio unseres Start-ups das erste Glas Wein während des Gemüserüsten getrunken und der erste Kochlöffel geschwungen wird. Wir hören bereits, wie auf unseren Kochinseln, die aus alten Hobelbänken entstanden sind, zum ersten Mal das Öl in der Pfanne zischt, wenn die Falafel eintauchen.
In Gedanken ernten wir im neuen, riesigen Garten bereits Salate, Kartoffeln, Melonen, Sauerkleeknollen, Auberginen, Tomaten und vielleicht sogar Kichererbsen. Wir schneiden Marokkanische Minze, riechen an bekannten und unbekannten Küchenkräutern, wir lassen uns in der Lavendelecke nieder mit einer Tasse Milchkaffee in den Händen, schlecken uns den Schaum von den Lippen und schauen dem Sonnenaufgang zu. Nicht umsonst haben wir den Frühstücksplatz gegen Südosten ausgerichtet. Am Nachmittag werden wir uns an marokkanischem Tee laben.
Zukunftsmusik? Immerhin solche, die jeden Tag besser zu hören ist, weil unsere Gegenwart schon aus ihren einzelnen Tönen besteht.