Ein tunesischer Freund habe einmal behauptet: «Wenn man als Araber Birchermüesli isst und es auch wirklich gerne mag, dann kann man sich definitiv als integriert betrachten.» Amor, mein Bekannter aus Tunesien, bekam sein erstes Müesli als Zweijähriger im Pestalozzidorf vorgesetzt. Am Anfang fand er es schwierig («sieht halt aus wie schon mal gegessen»). Heute aber liebe er es - genau so wie Rösti, Zürcher Geschnätzeltes & Co.
Seine Familie in Tunesien war sehr arm, und nachdem sein Vater gestorben war, fehlte das Geld hinten und vorne. Also kam er als kleiner Junge in die Schweiz. Hier hat er seine restliche Kindheit verbracht, seine Ausbildung absolviert und ist bis heute geblieben. Er spricht in breitem Züridüütsch mit feinem tunesischem Einschlag, und von seinem holprigen Einstieg ins Leben merkt man als Gegenüber nichts - im Gegenteil. Amor hat meist ein Lachen auf den Lippen, ist offen und hilft so gerne anderen, dass sein Terminkalender ständig prall gefüllt ist.
Salade Tunisienne & Chachkouka (sprich: Schakschuka)
Ein zweistündiges Zeitfenster haben wir für meinen «So isst die Welt»-Beitrag nach langem Suchen gefunden. Dabei hat er mir zwei typisch tunesische Gerichte gezeigt, die schnell zubereitet sind - arabischer Fastfood sozusagen. Zum einen einen «Salade Tunisienne» (Tunesischer Salat) mit Gurken, Tomaten, Oliven, Peperoni, Äpfeln, gekochtem Ei und Thunfisch. Als Dressing dienen Olivenöl und etwas Zitronensaft, gewürzt wird lediglich mit Salz und Pfeffer. Amor: «Dieser Salat gehört bei uns einfach dazu - wenn er in einem Restaurant nicht auf der Karte steht, dann kommen die Tunesier erst gar nicht.» Danach gibt es ein Gericht aus Tomatensauce und Eiern, hier geht es zu Amors Chakchouka-Rezept.
Tunesier lieben Pasta
«Es gibt in unserem Land Leute, die behaupten, wenn es den ganzen Tag kein Couscous gab, dann habe man nicht richtig gegessen», so Amor. In Tunesien käme Couscous jedoch beim Kochen nie mit dem Wasser in Berührung - dort lasse man ihn über dem Wasserdampf quellen. Die kleinen Hartweizengriess-Kügelchen isst man mit Lamm, Rind, Fisch oder Gemüse. Ausserdem werde in der tunesischen Küche extrem viel mit Tomaten gearbeitet und, was mich sehr überrascht hat, der Tunesier liebt Pasta! Wobei es den Italienern wohl kalt den Rücken hinunterläuft, wenn sie hören, dass man dort die Spaghetti meist direkt in der Sauce weich kocht.
Amor verteilt Schulranzen
Wie bereits erwähnt ist Amor jemand, der unheimlich gerne hilft, so haben wir uns auch kennengelernt. An einem Anlass sammelte er Geld für seine kleine Hilfsorganisation SwissVision, und ich habe einen Schulranzen für seine Kids gespendet. Amor möchte etwas zurückgeben: «Ich hatte solch ein Glück, hier eine Heimat zu finden, und möchte die Hilfe, die ich bekommen habe, gerne weiter geben.» Gerade war der 58-Jährige wieder in der Heimat, um hunderten Kindern zum Schulbeginn dringend benötigtes Material wie Hefte, Bücher und Ranzen zu übergeben. Über 100'000 Kinder und Jugendliche gingen in Tunesien jährlich von der Schule ab, weil das Geld für Material und Ausbildung fehle. Diese jungen Menschen seien genau die Kandidaten, die später den Weg nach Europa antreten würden.
Zwischen Salade Tunisienne und Chachkouka kommen auch Themen wie Religion, Terror und Flüchtlinge auf den Tisch. «Die Menschen sind rechthaberisch, ganz egal ob Muslime oder Christen. Ich übernehme oft die Vermittlerrolle, wenn interkulturelle Paare heiraten wollen. Ihre Familien machen es ihnen leider oft sehr schwer. Die Christen wollen nichts mit dem Islam zu tun haben, die Moslems machen keinen Schritt in die Kirche, dort versuche ich zu helfen.»
Nach zwei Stunden essen und plaudern ist Schluss, Amor muss weiter. Für mich gabs nicht nur Nahrung, sondern auch Soulfood. Danke Amor und atamanna lak alnnajah! Viel Erfolg für all Deine Vorhaben!