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Saturday Night Fever

Alte Liebe kann doch rosten...

In der Sendung von Roger Schawinski legte sich Bligg vergangene Woche mit der Hip-Hop-Szene an. Wieso DJ TapTap alias Virginia Gomez die Statements des ehemaligen Underground-Rappers nur halb so wild findet, erklärt sie in ihrem neusten Blogbeitrag.

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Bligg: Bald ein Baby?

Vom Rapper zum Pop-Sänger: Bligg muss sich wegen seines Wandels immer wieder Kritik seiner früheren Fans anhören.

Adrian Bretscher / SI

Letzte Woche legte sich Bligg mit der Schweizer Hip-Hop-Szene an. Wahrscheinlich eher aus Unbedachtheit, und wahrscheinlich nahmen es hauptsächlich die Zürcher persönlich. Nichtsdestotrotz gab er Anlass für einige Diskussionen, und ich habe mir auch ein paar Gedanken gemacht.

Mitte der 90er-Jahre tauchte Bligg erstmals auf der Bildfläche auf und sorgte für Furore in der Limmatstadt. Als er einige Zeit später mit dem Produzenten und Rapper Lexx zusammenspannte und den Sampler «Chocolate, Cheese & Sounds» veröffentlichte, wurde auch der Rest der Schweiz auf ihn aufmerksam. Der kommerzielle Durchbruch kam dann im Jahr 2001 - er wurde von Universal unter Vertrag genommen, veröffentlichte die Singles «Relaxtra» sowie «Alles scho mal ghört» (mit Sängerin Emel) und hielt sich einige Zeit in der Top 10 der Schweizer Charts. Daran können sich einige sicher noch erinnern. So fing alles an. Damals galt Bligg lange Zeit als einer der Stars des Schweizer Raps.

Etwa im Jahr 2006 fand dann der Wandel statt, seine Musik wurde mehr und mehr zu Pop. Bligg tauschte das Label aus, sang vermehrt und setzte auf Live-Shows mit Band. Viele alte Fans verloren das Interesse, dafür gewann er umso mehr neue, kommerziellere, dazu. Alles danach ist Geschichte. Heute füllt er die grössten Hallen des Landes und ist regelmässig in den Charts vertreten. Er gewann auch schon einige Auszeichnungen und sein Name ist unterdessen wohl ziemlich jedem Eidgenossen ein Begriff. So weit so gut.

Nun war Bligg letzte Woche bei meinem Lieblings-Provokateur Roger Schawinski zu Gast und folgendes Statement löste die vorhin erwähnte Debatte aus: «Das sind Leute aus einer Untergrundszene, die vor 15 Jahren mal existiert hat. Mittlerweile existiert diese nicht mehr wirklich gross», so Bligg (im Video ab Minute 5:30 zu hören).

Zwei Dinge gingen mir sogleich durch den Kopf: Der Brief, der Joiz.ch am 16. Oktober postete, ist wirklich herzig geschrieben. Logisch, dass eine solche Aussage von Bligg gewissen Leuten schwer auf dem Magen liegt. ABER: Ohne ein Psychologe sein zu müssen, sieht man Bligg doch an, dass er überrascht wurde und ganz bestimmt allgemein nicht mehr gut auf den Ex-Kumpel zu sprechen ist. Meiner Meinung nach galt seine Aussage eher Herrn Rossier, und er wollte nicht die ganze Szene angreifen. Bligg hat sich lediglich in einem emotionalen Moment unglücklich ausgedrückt.

Die Diskussion um «real» oder «kommerziell» ist wahrscheinlich etwa so alt wie der Hip-Hop selber. Die meisten Künstler müssen sich irgendwann entscheiden, ob sie lieber das grosse Geld oder Authentizität haben wollen. Schlussendlich hat niemand das Recht, sich in diese Entscheidung einzumischen. Denn nur der Künstler alleine muss damit leben. Sowohl Bligg als auch der Schweizer Hip-Hop-Szene, die im Moment gerade einen Aufschwung erlebt, scheint es mit dieser Entscheidung sehr gut zu gehen. Eine alte Liebe, die nun getrennte Wege geht. Nicht jede Beziehung kann ein gemeinsames Happy End erzählen. Wahrscheinlich führt eine Trennung sogar oft zu neuem Aufschwung, und ein neuer Weg bringt immer Spannendes mit sich.

am 20. Oktober 2014 - 14:29 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:32 Uhr