So, ich habe es getan, ich habe «Poor Things» geschaut. Bravo, hab ich gut gemacht. Ich bin ein bisschen stolz auf mich, dass ich bis zum Schluss durchgehalten habe, weil zwischendurch habe ich mich ganz ehrlich gefragt: Wieso tu ich mir das an? Was bitte guck ich da grad? Und wieso finden den Film alle so toll?
Ein...interessanter Film
Ich kann ja durchaus sehen, wieso man den Film…nicht gut, aber interessant findet. Weil das war es etwa, was ich gedacht habe: Interessant. Seltsam. Und überraschenderweise sehr freizügig und pornös. Was ich nicht erwartet hab. Bella entdeckt die Welt durch die Augen eines fast unschuldigen Kindes. Nie hat sie etwas ausserhalb ihres Daheims gesehen, doch sie schafft es, ihren Vater (Erschaffer?) davon zu überzeugen, sie gehen zu lassen. Und in der grossen weiten Welt entdeckt sie sich selbst, ihre Sexualität, die Freuden der Freiheit – aber auch das Leid der Menschen, welches sie beinahe bricht.
Interessant war durchaus auch, wie sie auf die Gesellschaft reagierte und deren Regeln. Wieso muss man sich auf eine bestimmte Art verhalten? Warum wird man für gewisse Verhaltensweisen, Meinungen oder Vorlieben gerügt? Die Frage nach sozialen Normen kommt auf, Bella versucht zu lernen, was gesellschaftskonform ist und warum – obwohl man ihr das «Warum» gar nicht wirklich erklären kann.
Gut? Schlecht? Irgendwas dazwischen?
Ich bin immer noch der Meinung, dass der Film weird ist und von dieser Meinung wird man mich wohl auch nicht so schnell abbringen können. Und doch kann ich nicht verleugnen, dass er auf seine Weise doch irgendwie gut ist. Speziell. Frankensteinig. Gesellschaftskritisch. Und wer wird hier als «Poor Things» bezeichnet? Sieht Bella die Menschen um sich herum so? Wird sie von der Gesellschaft so gesehen? Und was bedeutet «arm» wirklich?
Wer von euch am Wochenende also Zeit hat und einen Film schauen möchte, der zum Nachdenken anregt, dann schaut auf Disney+ vorbei und schaltet «Poor Things» ein. Allerdings ist der Film nichts für zarte Gemüter und vor Nacktheit und sexuellen Szenen solltet ihr euch auch nicht scheuen. Denn sonst ist der Film definitiv nichts für euch. Und wer von euch das Thema mit «Lasst uns die Welt durch unschuldige Augen neu entdecken» spannend findet und gerne liest: Mit dieser Ausgabe von «Siljas (Film-)Klappe» gibt es sogar noch einen Buchtipp: «The Mermaid» von Christina Henry. Zweifellos eines der besten Bücher, das ich jemals gelesen habe.