Hinter mir liegen zehn Tage harte Arbeit. Harte Arbeit für meine Leber, harte Arbeit für meinen Verdauungstrakt, harte Arbeit für meinen restlichen Körper, der sich permanent gegen Windböen stemmen musste. Oh ja, wer beim Wort Südfrankreich nur an Nizza und die Côte d’Azur denken muss, an Schirmchendrinks und pralle Hitze - Südfrankreich kann auch anders. Ganz anders. Und gerade im Mai kann man offenbar mit gar nichts rechnen, jedenfalls, was beständiges Wetter betrifft. Ausser mit dem Wind natürlich, auf den ist Verlass. In zehn Tagen haben wir hier so ziemlich alles durchlebt: Regen, Hitze, Wolken, Kälte, Hagel und eben das Gesprächsthema Nummer eins: le vent.
Aber was mach es für einen Sinn, sich übers Wetter zu beklagen? Eben, also macht man das Beste draus und das heisst im grössten Weinanbaugebiet Frankreichs vor allem: Wein degustieren, Wein kaufen, Wein trinken, Nachschub besorgen. Dies macht man, wie im letzten Blog erwähnt, zum Beispiel in den zahlreichen Coperatives auf dem Land, in Weinshops und Markthallen in der Stadt oder man geht einfach ins Restaurant, wo ohnehin fast ausschliesslich regionale Weine ausgeschenkt werden, die man dann wiederum bei den Produzenten oder im Supermarkt günstig nachkaufen kann - falls der Jahrgang noch zu haben ist.
Sowieso, Ferien in Languedoc-Roussillon stehen für Trinken, für Essen, für Geniessen mit allen Sinnen. Unvergleichlich sind die Markthallen in den Städten (siehe Narbonne, Tipp unten), wo die verrücktesten Gerüche verschmelzen, wo das regionale Angebot von Austern und Rochen bis hin zu Rinderseiten und Schweineschnauzen reicht, wo Honig neben Eimern mit Oliven probiert wird, wo Weinbars neben Metzgern brummen und Baguettes und Süssgebäck mit Bergen von Käse in eine Tasche gepackt werden. «Goutez ici, goutez ce fromage, les saussices, des piments!»
Languedoc Roussillon heisst, sich ohne schlechtes Gewissen durch die Region zu fressen, Diät machen ist unmöglich und wäre zudem sehr, sehr dumm. Sogar ich als Vegetarier komme erstaunlicherweise in der Region super durch, auch in den Restaurants ist man super unkompliziert, obwohl ich Veganern dann schon raten würde, zu Hause zu kochen, denn ohne Käse und Ei läuft hier gar nichts. Die Küche ist recht fettig, aber selbst das kleinste Dorf birgt hier Restaurants, wo ambitioniert und ausgewogen gekocht wird, teils auf sehr hohem Niveau.
Wer genug getrunken und gegessen hat, kann hier schier endlos Historisches Besichtigen, Boot fahren, im Meer baden, Radfahren, Wandern, Raften, Windsurfen und und und. Ratsam ist, die Laufschuhe mitzunehmen, damit man morgens etwas nett zu sich sein kann und locker gegen den Wind und durch die Reben joggen kann. Denn der Mensch kann ja nicht nur fressen und saufen. Oder?
Tipps Département Languedoc-Roussillon
Anreise mit dem Flugzeug nach Narbonne oder Montpellier, Preise variieren je nach Saison. Hochsaison ist wie überall im Juli und August, doch auch im Herbst brummt es hier.
Gemütlich geht es auch mit dem Zug, was von Bern nach Narbonne etwas mehr als 7 Stunden dauert. Sämtliche grösseren Orte sind so easy erreichbar, etwa Montpellier, Nîmes, Narbonne oder Carcassonne. Auch eine Anreise mit dem Auto ist möglich und dauert 7 bis 8 Stunden ab der Region Bern. Für Ausflüge aufs Land ist ein Wagen unerlässlich.
Einkaufen
Der Donnerstags-Markt in Narbonne hat mich und meine Reisebegleiter umgehauen. Blumen und Haushaltsbedarf machen den Anfang, danach gibt es zahlreiche Stände, die billige Kleider und Schuhe von erstaunlich modischer Qualität anbieten. Zum Teil muss man hier schon am Morgen überlegen, was man für den Marktbesuch anzieht, da nicht jeder Stand über eine Umkleidekabine verfügt. Hübsche Hippiekleider gibt’s um 10 Euro, Sandalen und Ballerinas ebenfalls um 10 Euro. Es lässt sich handeln, wenn man sich nicht als Schweizer zu erkennen gibt. Jedoch sind die Preise schon so spottbillig, dass Feilschen schon fast unanständig wäre.
Wie zu jedem richtigen Markt gehört auch in Narbonne eine richtige Markthalle zum Einkauf dazu. Hier gibt es besonders viel Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, aber auch tolles Gemüse, verschiedene Pasten (Tapenaden), Antipasti, Honig, Brot und Süsses gehören zum Sortiment. Das eigentliche Highlight sind aber die Bars, die in der Markthalle von Narbonne zahlreich vorhanden sind. Dort kann man teilweise essen, teilweise auch nur trinken. Schwer zu empfehlen ist die Bar von Bebelle. Offenbar ist der Hühne in der Region eine Berühmtheit, schnell wird auch ersichtlich, warum. Bebelle nimmt, wenn möglich, die Essensbestellungen selbst entgegen, stellt sich dann zurück hinter die erhöhte Bar, wo zahlreiche Köche am Werk sind. Von dort aus ordert er per Megafon das Bestellte («Deux Tartares!», «Trois Canards!», «Quatres Entrecôtes!») bei den umliegenden Metzgern. Sobald diese das Bestellte ins Papier gewickelt haben, pfeiffen sie, Bebelle geht in Position, und die Fleischpäckchen fliegen über die Köpfe der Gäste direkt in seine Hände. So geht das den ganzen Mittag über, die Restaurantgäste staunen, raunen, oder klatschen vor Begeisterung, es ist laut, wild, lecker und natürlich wird der Wein gleich flaschenweise bestellt. Unbedingt hingehen und möglichst schon am Morgen für den Mittag reservieren! Und viel Hunger mitbringen, die Portionen sind riesig. Eine Flasche Weisswein, drei Tartares mit Beilagen und ein vegetarischer Teller (Spiegelei, Frites, Salat) kosteten uns 50 Euro.
AUSFLÜGE:
Tropfsteinhöhlen
Unbedingt sehenswert sind die Tropfsteinhöhlen im Minervois. Ich selber habe nur die Riesenhöhle Gouffre de Cabespine im Flusstal Clamoux besucht, die so gross ist, dass der Eiffelturm darin Platz haben soll. Elektronische Führer geben schon viel Informationen, es werden aber auch Führungen angeboten. Für die ganz abenteuerlustigen und vor allem null Platzangst-geplagten werden auch Safaris durchgeführt, welche in die auf 17 Kilometern verästelten unterirdischen Gänge führen. In jedem Fall im Voraus über die Öffnungszeiten und Führungen informieren! Auch die Grotte de Limousis nördlich von Lastours soll sehenswert sein, jedoch war sie bei unserem Besuch geschlossen. Die beiden Höhlen sind etwa 30 Minuten Autofahrt voneinander entfernt und lassen sich gut an einem Tag kombinieren. Die Fahrt auf schmalen, kurvigen Strassen durch die Berglandschaft ist nicht ohne!
www.grottes-de-france.com - Eintrittspreise um 10 Euro.
Minerve
Die mittelalterliche Stadt in den Bergen des Minervois ist ein Spektakel an sich. Zudem lassen sich dort zwei natürliche Brücken bestaunen und unterqueren. Herzige Restaurants und Läden sowie ein archäologisches Museum laden zum Verweilen ein. Jedoch ist Minerve im Mai fast ausgestorben, viele Beizen und Läden sind noch geschlossen. Doch die Stimmung ist einmalig und vielleicht sogar reizvoller als im Sommer, wenn die Gassen mit Tausenden Touristen verstopft sind. Der einheimische Spargel (nur im Frühling)ist übrigens ist göttlich herb.
Carcassonne
Die Region Languedoc verfügt über eine blutige Geschichte. Im 13. Jahrhundert metzelten hier ausgehend von Béziers Katholiken auf dem Albigenserkreuzzug die Katharer ab. Zehntausende Katharer fielen dem Kreuzzug zum Opfer, vor allem in den Katharerzentren Béziers, Minerve (siehe oben) und Carcassonne. Zahlreiche Burgen aus dieser Zeit lassen sich heute auskundschaften, wir besuchten die Cité von Carcassonne, die grösste Burg Europas und nach Paris und dem Mont St. Michel der drittmeistbesuchte Ort in Frankreich. Selbst in der Nebensaison im Mai sind die mittelalterlichen Strassen voller Touristen, daher lässt sich viel Ramsch und Kreuzritterkitsch erstehen, jedoch aber auch Interessantes über diese vergangene Schattenzeit erfahren. Grosse Teile der Burg sind ohne Eintritt zu erkunden, gewisse Teile sind dann zahlungspflichtig. Wegen des Rummels verzichteten wir - Mittelalterinteressierte können aber für 8 Euro in den inneren Teil der Burg gelangen.
Der neue Teil von Carcassonne lockt mit schönen Boutiquen und einem tollen Wochenmarkt. Carcassonne ist auch mit dem Zug gut zu erreichen.
Baden
Wir warteten den einzigen sommerlichen Tag ab, um einen Ausflug ans Meer zu unternehmen. Von unserem Dorf (Camplong) aus nach Cap Leucate benötigten wir keine Stunde Autofahrt. Das Kap mit seinem schwindelerregenden Felsklippen lässt sich gut zu Fuss (mindestens Turnschuhe anziehen!) entdecken. Wir hatten grosses Glück und fanden einen zur Mittagszeit verlassenen Strand, den wir durch eine kleine Kletterpartie über die Felsen erreichen konnten. Für eine Viertelstunde waren wir sogar allein, bis wir nach und nach mehr Gesellschaft von Menschen und extrem vielen Hunden kriegten. Meer kriegt man auch am Plage von Leucate, der natürlich kaum gegen unsere tolle, fast verlassene Bucht in den Felsen ankommt. Abschliessen lässt sich der Badetag wunderbar bei trockenem Muscat und Austern oder Moules (nicht für mich, aber für die anderen) vor bescheidenen Wellblech-Restaurants im Centre Conchylicole zwischen Roussillon und dem Fluss Aude im Languedoc, gleich unter der Brücke, die aus Leucate herausführt. Alles dort ist superfrisch und direkt vor den Hütten aus den Meerwasserbänken gepflückt. Nicht vom wenig freundlichen Hafenflair abschrecken lassen!
Bootstouren
Der Canal du Midi verbindet zusammen mit dem Canal de Garonne den Atlantik mit dem Mittelmeer. Man kann auch ganze Ferien auf dem Canal verbringen, mit einem Hausboot und viel Geduld - denn die etlichen Schleusen im Kanal zwingen einen regelmässig zum längeren verweilen, während man in den Schleusenbecken angehoben und abgesenkt wird. Wer nicht die nötige Zeit und das nötige Kleingeld zusammenbringt, macht eine zweistündige Bootstour für etwa 13 Euro pro Person. Wir haben eine charmante, auf alt getrimmte Barke genommen, welche Start und Ziel im schönen Örtchen Hombs hat. Die Fahrt ist kommentiert, wobei die Rückfahrt natürlich grösstenteils still verläuft, da man ja nach einer Stunde umkehrt. Super gemütlich, unbedingt reservieren und einen Platz draussen ergattern!
Promenade ab Hombs: 35 Quai des Tonneliers, 11200 Hombs (Capitainerie), Tel.: +33 468 91 33 87 - www.crosieres-du-midi.com
Essen
Da die Region Languedoc-Roussillon vor allem auf dem Land nur über wenige Touristenfallen verfügt, isst man in fast allen Restaurants sehr gut und authentisch. Toll ist, wenn man ein Haus gemietet hat und zur Abwechslung auf dem Markt Ergattertes gleich selbst zubereitet. Spezialitäten sind Cassoulet, ein Bohneneintopf mit Schweinefleisch, Fleischpasteten, Meeresfrüchte und Fisch, auch gerne als Eintopf. Aber auch andere traditionelle Fleischgerichte sind hier Standard, von Côtes de Boeuf bis Entenbrust. Natürlich gehört der Käsegang einfach dazu, mit bestem Chèvre und Blauschimmelkäse der Region. Ich als Vegetarier wurde mit wunderbaren Kreationen wie Tarte Tatin von der Tomate mit Chèvre-Crème oder Gemüseterrine überrascht. Wie oben erwähnt - viele Restaurants der Region kochen sehr ambitioniert und einige sind gar preisgekrönt. Empfehlungen lasse ich deshalb sein: selber entdecken! Die Preise sind im Übrigen extrem moderat. Einen ambitionierten Viergänger gibts auf dem Land ab 28 Euro, eine gute Flasche Wein im Restaurant ab 12 Euro. In den Läden, auf dem Markt und in den Kooperativen ist alles noch einmal wesentlich günstiger.
Menschen
Der Umgang mit Touristen ist in Languedoc-Rousillon ausgesprochen offen und freundlich. Der Verkäufer im Dorfladen hält gerne einen Schwatz über Bergregionen und Magenverstimmungen, der Besitzer der müffeligen Sportsbar erklärt einem gerne, was es mit der französischen Leidenschaft für Rugby auf sich hat, der überdrehte Käseverkäufer auf dem Wochenmarkt nimmt mal eben einen Schweizerdeutschkurs und erstaunt mit Sprachtalent und Dänisch-Kenntnissen. Der Dialekt in der sehr ländlich geprägten Gegend (im Prinzip geht nur die Studentenstadt Montpellier als halbwegs urban durch) ist gewöhnungsbedürftig und teils schwer verständlich. Wein klingt wie Wind, denn die Einheimischen sprechen beides als «Väng» aus. Ein Hund ist ein «chieng» und der Juni der «Juäng». Gerne wird aber fürs gegenseitige Verständnis auch etwas langsamer gesprochen, Englisch ist höchstens bei der jüngeren Generation eine Option.
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am 24. Mai 2015 - 11:39 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 01:31 Uhr