«Du bist echt der beschissenste Scheissvater der scheissverschissenen Scheisswelt. Fick dich!» Den letzten Worten an einen geliebten Menschen wird in der Regel viel Bedeutung beigemessen. Die eben erwähnten sind die des 15-Jährigen Tonio (Juri Winkler) an seinen Vater. Kein Wunder verhält sich der Junge nach dessen Tod seltsam. «Das letzte Wort» ist der neuste Wurf aus Deutschlands Netflix-Küche. Karla Fazius (Anke Engelke) ist Tonios Mutter und somit die Witwe des Mannes, der unerwartet das Zeitliche segnete. Der Tod ist eine trübe Angelegenheit. Aber müssen es Beerdigungen deswegen auch sein? Nein, findet Karla, und beschliesst, Trauerrednerin zu werden. So begleitet sie von nun an andere Hinterbliebene.
Während sie versucht, ihre Lebenslust wiederzufinden, tut sie alles, um jede Regel der Bestattungsbranche zu konterkarieren: Bei Karlas Abdankungen wird getanzt, gesungen, gelacht und auch mal über den Abgelebten gestänkert. Ganz zum Leidwesen des abgehalfterten Bestatters Andreas Borowski (Thorsten Merten), für den Karla arbeitet. Bald sieht er aber ein, dass seine neue Mitarbeiterin ihm die Kundschaft zurück in den Laden holt. Denn der steht kurz vor dem Ruin. Das Bestattungswesen ist ein Knochenjob mit knallharter Konkurrenz. Um an neue Kunden zu gelangen, geht Borowski über Leichen.
In den sechs Folgen werden verschiedene Geschichten von Trauer, Tod und Weiterleben erzählt – meist lustig, aber auch mal traurig und oft weit weg vom guten Geschmack. Was aber nicht auf die Figuren zutrifft: Jedes einzelne Mitglied des Casts, der offenbar sehr sorgfältig ausgesucht wurde, hat seinen eigenen Charme. Ganz vorne glänzt Hauptdarstellerin Anke Engelke, die sich einmal mehr in komödiantischer Höchstform zeigt. Die 54-Jährige weiss aber auch melancholische Töne anzuschlagen. Zwischen dem pechschwarzen Humor und den derben Sprüchen findet sich immer wieder Zeit zur Einkehr, zu Stille und Musse, um die grundlegenden Fragen des Lebens und Sterbens seriös zu erörtern. Und wenn Karla einmal mehr schluchzend mit ihrem eigenen Verlust hadert, schlägt die Heiterkeit abrupt in Anteilnahme um.
Durchs Band überzeugt auch der Bestatter Borowski, ein kettenrauchender Pegeltrinker mit Berliner Schnauze, der sich abmüht, das Unternehmen für seinen Sohn zu erhalten. Dessen Darsteller, Thorsten Merten, war es übrigens, der die Idee zur Serie «Das letzte Wort» hatte. Der Tod geht alle an. Entsprechend universell definiert Produzent Daniel Sonnabend das potenzielle Publikum der Dramedyserie: «Thema: Tod. Zielgruppe: alle.» Gut möglich, dass der makabre Humor nicht jedermanns Sache ist. Hat man sich aber erst mal daran gewöhnt, schockiert auch die Oma nicht mehr, die aus fünf Altersheimen rausflog, im Wohnzimmer kiffend Pornos guckt und ihrer erwachsenen Enkelin den Vibrator ausleihen will, damit die sich «mal entspannt».
Dramedyserie mit Anke Engelke, ab 17.9. bei Netflix