Draussen ist es kalt, nass und dunkel. Reisst uns der Wecker in den Wintermonaten morgens aus dem Schlaf, fühlen wir uns oft noch überhaupt nicht bereit, den Tag in Angriff zu nehmen. Viel verlockender ist es, sich eine weitere Stunde unter der warmen Decke einzumummeln. Manche werden sich in solchen Momenten bestimmt schon gewünscht haben, es den Igeln oder Murmeltieren gleichzutun und den ganzen Winter zu verschlafen.
Weshalb tun wir das eigentlich nicht? Der Grund ist simpel: Ein Winterschlaf hätte für uns wohl mehr Nach- als Vorteile – abgesehen davon natürlich, dass wir uns nicht mehr in der Dunkelheit aus dem Bett quälen müssten. Anders als die Tiere leben wir zumindest in der heutigen Zeit in einem beheizten Zuhause und haben genügend Nahrung. Für uns bedeutet der Winter kein Kampf ums Überleben. Christine Blume, Schlafforscherin an der Universität Basel und Schlaftherapeutin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel sagt zudem: «Hätte der Winterschlaf für den Menschen einen evolutionären Vorteil gebracht, hätte er sich vermutlich durchgesetzt.»
Biologische Nacht dauert länger
Doch obwohl wir keinen Winterschlaf halten: Unser Schlaf verändert sich im Laufe des Jahres. Viele Menschen berichten, dass sie im Winter ein grösseres Schlafbedürfnis haben als im Sommer. Ein Grund dafür ist, dass im Winter durch die kürzeren Tage und längeren Nächte auch die «innere biologische Nacht» länger dauert. «In dieser Zeit wird das Dunkelhormon Melatonin ausgeschüttet, das uns müde macht», erklärt Christine Blume.
Eine Studie der University of Colorado zeigt den Effekt davon deutlich auf: Die Forschenden liessen ihre Probandinnen und Probanden jeweils eine Woche im Sommer und eine Woche im Winter in den Rocky Mountains – also mitten in der Natur und ohne künstliche Lichtquellen – campen. Dabei wurde die Dauer der Melatoninausschüttung, und damit der Tag-Nacht-Rhythmus, untersucht. Am Ende des Experiments zeigte sich, dass die biologische Nacht der Teilnehmenden im Winter durchschnittlich rund viereinhalb Stunden länger dauerte als im Sommer.
Morgens 30 Minuten mehr Schlaf
Spannend dabei: Die biologische Nacht setzte kaum früher ein als im Sommer, dauerte aber morgens wesentlich länger. Dies deckt sich mit dem Empfinden vieler Menschen, dass sie im Winter zwar nicht unbedingt früher müde werden, aber am Morgen deutlich mehr Mühe haben, in die Gänge zu kommen.
Nun sind wir im Gegensatz zu den Campierenden in den Rocky Mountains jedoch viel weniger dem natürlichen Tageslicht ausgesetzt, da wir unsere Umwelt ständig mit elektrischem Licht beleuchten. «Vermutlich sind die Unterschiede zwischen Sommer und Winter bei uns daher deutlich weniger stark ausgeprägt. Unser Schlaf verändert sich aber dennoch im Laufe des Jahres», sagt Christine Blume. Das werde durch weitere Forschungsergebnisse gestützt. So berichteten etwa die Teilnehmenden einer Studie aus Japan, im Winter an den Wochenenden bis zu 30 Minuten länger zu schlafen als im Sommer – und zwar am Morgen.
Intensivere Träume
Nicht nur die Dauer des Schlafs ändert sich mit der Jahreszeit, sondern auch die Dauer der einzelnen Schlafphasen: «Während die Länge des Tiefschlafs gemäss einer Studie aus Berlin im Verlauf eines Jahres relativ stabil bleibt, verbringen wir im Winter mehr Zeit im REM-Schlaf», sagt Christine Blume. Pro Nacht befinden wir uns vier bis fünf Mal für eine gewisse Zeit in diesem Schlafstadium. In der zweiten Nachthälfte und gegen die Morgenstunden werden die REM-Phasen länger. Schlafen wir am Morgen länger – wie das tendenziell im Winter der Fall ist – bleibt uns also mehr Zeit im REM-Schlaf.
«REM» steht für «rapid eye movement» – zu Deutsch für «schnelle Augenbewegungen». Sie sind charakteristisch für den REM-Schlaf. In diesem Schlafstadium befindet sich der Körper in einer sehr aktiven Phase: Puls, Blutdruck und Hirnaktivität weisen fast genauso hohe Werte wie im Wachzustand auf. Ausserdem träumen wir im REM-Schlaf besonders intensiv. Christine Blume sagt dazu: «Die Träume während der REM-Phase sind besonders, weil sie emotionaler und wirrer sind als sonst.»
Im Body & Health Lab beschäftigen wir uns mit aktuellen Themen aus den Bereichen Mental Health, Body Science sowie Innovation und Digitalisierung. Welche Technologien, Trends und Therapien sind richtungsweisend? Was tut sich gerade in der Forschung? Und wer sind die Menschen dahinter? Fundiert recherchierte Artikel geben Auskunft. Unterstützt werden wir dabei von unserem langjährigen Partner Toyota. Auch Toyota ist stets bestrebt, neue Lösungen zu finden und Innovationen voranzutreiben mit dem Ziel, unser Leben und unsere Zukunft besser und nachhaltiger zu machen.
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Viele Menschen berichten zudem von einer schlechteren Schlafqualität im Winter. Diese lässt sich gemäss Christine Blume unter anderem damit erklären, dass wir im Winter weniger Zugang zu Tageslicht haben und uns weniger bewegen – beides wichtige Faktoren für einen guten Schlaf. Ein Mangel davon kann Schlafprobleme begünstigen. Auch die Stimmung verschlechtert sich bei manchen Menschen in den Wintermonaten, was sich zusätzlich negativ auf die Schlafqualität auswirken kann. «In unseren Breitengraden ist der Effekt nicht so ausgeprägt wie etwa in Skandinavien, aber es gibt Menschen, die sehr sensibel auf solche Veränderungen reagieren», erklärt die Schlafforscherin.
Tageslicht tanken und aktiv bleiben
Um unseren Schlaf im Winter zu verbessern, kann es entsprechend helfen, sich trotz tieferen Temperaturen im Freien zu bewegen und Tageslicht zu tanken. Wem die Zeit dazu fehlt, der kann seinen Arbeitsplatz in die Nähe eines grösseren Fensters verlegen oder auf eine Lichttherapie-Lampe setzen. Diese stellt Licht mit einer hohen Intensität bereit und kann so dem Mangel an natürlichem Sonnenlicht begegnen. Verspürt man das Bedürfnis, mehr zu schlafen, sollte man dem wenn möglich nachgeben und versuchen, morgens eine halbe Stunde später aufzustehen.
Wer nun denkt, mit den steigenden Temperaturen steigt auch das Energielevel, liegt unter Umständen falsch: Je nach Quelle klagen bis zu 50 Prozent der Bevölkerung über Frühjahrsmüdigkeit. Schuld daran könnte eine Art Jetlag sein: Expertinnen und Experten gehen etwa davon aus, dass die länger werdenden Tage die Produktion des Neurotransmitters Serotonin ankurbeln, der als Muntermacher gilt. Gleichzeitig werde weniger Melatonin ausgeschüttet. Das entstehende Ungleichgewicht könnte die Frühjahrsmüdigkeit auslösen. Wissenschaftlich belegt ist das jedoch nicht – genauso wenig wie die tatsächliche Existenz der Frühjahrsmüdigkeit.
Doch das könnte sich demnächst ändern: Christine Blume untersucht aktuell zusammen mit Albrecht Vorster, Leiter des Swiss Sleep House Bern, ob und wie sich der Schlaf, Tagesmüdigkeit und -Schläfrigkeit im Laufe eines Jahres verändern.