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Body Positivity

«Eine schöne Hülle ist eine Rüstung»

Zu dick, zu dünn, zu gross, zu klein: Kritik an Körpern – besonders denjenigen von Frauen – ist auch in Zeiten der Body-Positivity-Bewegung immer noch allgegenwärtig. Die Schönheitschirurgin Cynthia Wolfensberger sagt, was es braucht, dass wir ein gesundes Körperbild entwickeln.

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Die US-amerikanische Sängerin und Schauspielerin Selena Gomez ist stolz auf ihren neuen Körper.

Imago/APress

«Heute habe ich realisiert, dass ich nie wieder so aussehen werde», schreibt Selena Gomez in einem kürzlich veröffentlichten Instagram-Beitrag. Dabei teilt sie ein altes Bild, auf dem sie mit schlankem Körper in einem Bikini posiert. Die Sängerin, die heute mehr Rundungen aufweist, betont die Bedeutung von Selbstakzeptanz trotz öffentlicher Aufmerksamkeit und Kritik.

Frau Wolfensberger, wie beurteilen Sie Selena Gomez’ offene Aussagen über ihren veränderten Körper und ihre Einstellung zu Body Positivity?

Cynthia Wolfensberger: Ich finde es traurig, dass man sich heutzutage – vor allem als Frau – immer noch für Veränderungen im Körperbild erklären muss. Wir alle haben einen Körper und erleben, dass er sich über die Jahre verändert, mit hormonellen Umstellungen, Krankheiten und, und, und …

Sind Aussagen wie die von Selena Gomez überhaupt noch im Sinne von Body Positivity?

Body Positivity ist ein Ideal, das besagt, dass man Menschen nicht anhand ihres Aussehens beurteilen soll. Ja, es ist sicher im Sinne von Body Positivity, wenn man die Menschen wieder darauf hinweist, dass sie endlich damit aufhören sollen, das Äussere zu beurteilen. Alle sollten sich im eigenen Körper wohlfühlen dürfen.

Gomez spricht über die Herausforderungen, sich in der Öffentlichkeit mit ihrem Körper auseinandersetzen zu müssen. Welche psychologischen Auswirkungen kann der Druck der Medien und der Öffentlichkeit auf das Körperbild haben?

Wenn man immer nur über seine Hülle definiert wird, ist es sehr schwierig, den eigenen Wert zu erkennen. Eine Frau wie Selena Gomez erreicht eine grosse Öffentlichkeit, aber auch eine 13-jährige Schülerin ist beispielsweise einem ganzen Schulhaus ausgesetzt. Das sind immerhin rund 500 Menschen. Es betrifft und belastet Jugendliche genau gleich. Konkrete Auswirkungen können ein gestörtes Körperbild, Essstörungen oder Depressionen sein.

Wie stehen Sie zu Schönheitseingriffen im Kontext der Body-Positivity-Bewegung? Tragen sie dazu bei, dass Menschen sich selbstbewusster und zufriedener mit ihrem Körper fühlen?

Ich sehe bei meiner Arbeit jeden Tag, dass solche Eingriffe das Leben unserer Kundinnen und Kunden positiv verändern und sie sich danach zufriedener und selbstbewusster fühlen. Es ist nicht unsere Aufgabe, anderen Menschen zu sagen, sie müssten zufrieden sein – auch ohne Operation.

Gibt es Fälle, in denen Sie Menschen, die sich bei Ihnen einer Schönheits-OP unterziehen möchten, abweisen?

Ich spreche mit allen Kundinnen und Kunden darüber, was sie sehen, was sie stört und was ich sehe. Ich spreche darüber, dass das, was sie zurzeit so wahnsinnig stört, etwas ist, das von 100 Menschen 99 vielleicht nicht sehen, wenn sie sie anschauen. Ich spreche darüber, dass es Möglichkeiten – abseits der Operation – gibt, wie man dieses Problem angehen könnte. Wenn sie sich trotzdem für die Operation entscheiden und bereit sind, die Schmerzen und die möglichen Komplikationen zu tragen, können wir darüber sprechen, etwas zu machen.

Immer wieder werden Stimmen laut, dass Schönheitseingriffe und Body Positivity sich widersprechen. Wie stehen Sie dazu?

Je sicherer ein Mensch ist, desto eher wird er sich nicht auf die Aussenwahrnehmung verlassen, sondern sich als ganzes Wesen verstehen. Je unsicherer, einsamer, weniger angekommen jemand ist, desto eher glaubt diese Person, dass, wenn das Äussere ihrer Ansicht nach stimmen würde, man ihr Inneres besser erkennen würde.

Tendieren Personen, die unsicher sind, demnach dazu, einen Schönheitseingriff zu machen?

Ja, natürlich. Eine schöne Hülle ist eine Rüstung, die schützt.

Wie können Menschen, die mit ihrem Körper unzufrieden sind, ohne Schönheitseingriffe ein gesundes Selbstbild entwickeln?

Dies aus sich heraus zu entwickeln, ist schwierig. Wenn man in einer Gemeinschaft lebt, die einen nicht aufgrund der Hülle beurteilt, und diese Gemeinschaft einen trägt, schützt und stützt, dann kann man ein gesundes Körperbild aufbauen. Ist man jedoch nicht so eingebettet, wird es sehr anspruchsvoll. Die Entwicklung eines gesunden Selbstbilds liegt in der Verantwortung der Erziehenden, der Lehrpersonen, des Freundeskreises, der Gemeinde.

Von Aline Spescha am 24. Februar 2024 - 12:00 Uhr