Es ist eine der schönsten Nebensachen der Welt. Trotzdem lässt bei einigen in langjährigen Beziehungen die Lust auf Sex irgendwann nach. Eine Flaute im Bett kann zum Problem zwischen den Partnern werden. Das Ende der Beziehung ist damit jedoch noch lange nicht besiegelt. Denn guter Sex will gelernt sein, sagt Dania Schiftan, Psychotherapeutin und klinische Sexologin, im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Die Autorin erklärt in ihrem neuen Buch «Keep It Coming» (Piper) unter anderem, wie Paare guten Sex haben.
Dabei gilt erst einmal festzuhalten, dass jeder Mensch guten Sex anders definiert. «Guter Sex ist, wenn beide ihn möchten und geniessen können. Eine lange, lustvolle, sexuelle Paarbeziehung funktioniert vor allem dann, wenn beide Interesse und Freude an dem haben, was stattfindet», erklärt sie. Entscheidend sei, dass der Ertrag höher sei als der Aufwand, «wenn man es ökonomisch ausdrückt». «Das sollte für beide gleich sein, denn häufig ist es so, dass es dem einen mehr Spass macht als dem anderen und sich ein Partner zurückzieht», berichtet Schiftan.
Viele Paare haben nach mehreren Jahren Beziehung deutlich weniger Sex als zu Beginn. Woran liegt das?
Dania Schiftan: Es gibt sogar Zahlen dazu: Die ersten sechs Jahre nimmt der Sex in Beziehungen ab. Im siebten Jahr pendelt sich die Anzahl ein und bleibt so für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Viele Paare haben zu Beginn der Partnerschaft guten Sex, weil die Emotionen so stark sind. Emotionen wirken wie ein Katalysator und schwappen auf das Geschlecht über.
Mit der Zeit - wenn man sich auch mal übereinander ärgert oder Gewohnheit reinkommt - achtet man mehr darauf, was man beim Sex wirklich empfindet. Dann hinterfragt man: Bringt mir das wirklich etwas? Dabei merken viele, dass sie vor allem «vom Oben ins Unten» leben. Nur wenn emotional viel Intensität da ist, können sie unten «aufmachen». Klassischerweise erleben vor allem Frauen, dass sie ihren Partner sexuell anziehend finden, wenn sie sich emotional erfüllt fühlen. Die Kunst ist: Je mehr man selbst etwas spüren möchte, desto mehr Interesse besteht an der Sexualität. Man muss sich mit der Frage auseinandersetzen, warum man Sex hat: Wegen Emotionen oder wegen der Empfindung im Geschlecht.
Was ist eigentlich «wenig Sex»? Einmal pro Woche, einmal pro Monat - Lässt sich das verallgemeinern?
Schiftan: Das kann ich nicht mit einer Zahl beantworten. Es geht darum: Ist der Sex mir persönlich genug oder nicht, gehe ich meinen Impulsen nach? Es gibt Paare, die über die Jahre einmal pro Woche Sex haben und damit zufrieden sind. Anderen reicht einmal pro Monat. Häufig pendeln sich Paare bei einmal pro Woche oder einmal alle zwei Wochen ein.
Wie sollte man damit umgehen, wenn man Lust hat, der Partner jedoch nicht?
Schiftan: Der Klassiker ist: Der Mann hat Lust, die Frau weniger. Da gilt es erst mal die Fragen zu beantworten: Worauf hat sie keine Lust? Vielleicht hat sie generell kein hohes Bedürfnis oder vor allem auf das keine Lust, was im Bett passiert, weil ihr der Sex eher Schlaf und Zeit raubt, anstatt sie zufrieden zu stellen. Manche Frauen haben auch grundsätzlich Schwierigkeiten, viel im Geschlecht zu empfinden. Daran lässt sich arbeiten. Oder, oder, oder ....
Als Partner gilt es, verständnisvoll zu sein. Denn je mehr der eine will, desto mehr geht der andere auf Distanz. Aber Vorsicht: Wenn man nur Verständnis hat, geht die Person, die keine Lust hat, manchmal auch den bequemen Weg und es ändert sich nichts. Derjenige, der Sex will, ist nicht alleine der Böse und muss lernen, Rücksicht zu nehmen. Vielmehr muss sich der Partner, der keinen Sex haben möchte, der unangenehmen Tatsache stellen, dass er nicht «flüchten» darf.
Wie kann man seinen Partner dazu bringen, wieder mehr Lust auf Sex zu haben? Und andersrum: Wie schafft es jemand, der keine Lust auf Sex hat, wieder Interesse daran zu haben?
Schiftan: Es kommt darauf an, worauf der Partner Lust haben soll. Je leichter jemand erregbar ist, desto mehr möchte er Sex. Das verhält sich wie mit dem Joggen. Am Anfang finde ich das vielleicht anstrengend und bekomme Muskelkater. Aber je regelmässiger und häufiger ich das mache, - auf unterschiedliche Arten, in unterschiedlichem Tempo, zu unterschiedlichen Zeiten - desto mehr spüre ich, wie mein Körper davon profitiert und freue ich mich dann darauf. Irgendwann lässt man sich nicht mehr rausbringen. Und je unabhängiger ich vom anderen werde, desto mehr Freude habe ich, mit jemandem zusammen joggen zu gehen.
Wie schaffen es Paare gemeinsam, aus einer Sexflaute herauszukommen?
Schiftan: Ein Paar sollte verstehen, dass Sexualität gelernt sein will und nicht einfach so ist, wie sie ist. Sex ist absolut veränderbar und nicht etwas, das gut oder schlecht ist. Je mehr Paare das verstehen und bereit sind, sich dem zu stellen und als Trainingsfeld anzusehen, desto größer sind die Chancen, positive Erfahrungen zu machen und sich neu kennenzulernen.
Wie erklärt man seinem Partner, was man sich im Bett wünscht oder was einem fehlt, ohne ihn dabei zu verletzen?
Schiftan: Eigene Wünsche sollten nicht verletzen. Der Partner sollte ein Interesse daran haben, die Wünsche des anderen zu kennen. Viele scheuen sich nicht zu sagen, wie sie ihr Essen gerne haben oder was ihnen im Haushalt wichtig ist. Auch beim Thema Sex sollte man nicht schweigen.
Man kann nicht wissen, was der andere will. Logisch darf und soll man das dem anderen sagen. Jedoch mit klaren Regeln: Von sich und seinen Bedürfnissen reden, was einem gefällt und was man haben will. Dabei sollte man den Partner nicht schlechtmachen oder beschuldigen. Wichtig sind konkrete Aussagen darüber, was man sich wünscht.
Sie sagen, Sex sei eine Sache der Übung. Was genau meinen Sie damit? Kann man guten Sex wirklich trainieren?
Schiftan: Ja, absolut. Im Laufe des Lebens haben wir alles trainiert: Gehen, Sprechen oder Musik machen. Es ist alles erlernt. Wieso also davon ausgehen, dass es mit dem Geschlecht nicht so ist? Meine Patienten konnten mir bislang alle bestätigen, dass es unterschiedliche Schritte in der Entwicklung gab. Allein das zu verstehen, hilft, die Motivation herzuholen, etwas zu ändern oder zu erweitern. Erst einmal sollte man selbst herausfinden, wo man mehr oder weniger spürt. Und dann immer wieder von dem ausgehend, was man bereits kann, mal mehr nach links oder rechts rutschen, mal schneller, mal langsamer - und das in ganz vielfältiger Wiederholung.