Nicht nur Gwyneth Paltrow und ihr Ehemann Brad Falchuk tun es: Getrennte Wohnungen trotz Ehe sind längst nicht mehr undenkbar, wenn auch immer noch ziemlich exotisch. Ein gemeinsames Leben an unterschiedlichen Orten oder Neudeutsch «living apart together» (zusammen getrennt leben) kann ganz unterschiedliche Formen annehmen: getrennte Wohnungen in derselben Stadt, unterschiedliche Wohnorte, getrennte Wohnungen plus ein gemeinsames Nest – oder wie bei Gwyneth Paltrow: eine Teilzeit-WG.
Im Gespräch mit der britischen Tageszeitung The Times verriet die Oscar-Gewinnerin, dass sie und ihr Mann je ein Haus haben. An vier Tagen der Woche ist er meist bei ihr daheim, die restliche Zeit verbringt er in seinen eigenen vier Wänden, wo auch seine beiden Kinder aus einer früheren Beziehung übernachten. Seit vier Jahren läuft die Ehe anscheinend trotz unterschiedlichem Wohnort wunderbar.
Oder vielleicht gerade deswegen? Es gibt nämlich durchaus gute Gründe, die für in gemeinsames Leben an unterschiedlichen Orten sprechen.
Kein eintöniger Tagesablauf
Eingespielte Abläufe, automatisierte Gesten der Zärtlichkeit und Gespräche, die eher von der Einkaufsliste dominiert werden als von einem spannenden Film, den man gerade gesehen hat: Sieht man sich jeden Tag, kann das Zusammensein an Reiz verlieren und zur Selbstverständlichkeit werden. Wer sich keine Mühe gibt, lebt so schnell in der Jogginghose aneinander vorbei – und fühlt sich im schlechtesten Fall irgendwann eher wie Geschwister statt wie ein Liebespaar. Bei getrennten Wohnungen schleicht sich die lähmende Routine gar nicht oder zumindest weniger schnell ein. Klingt gar nicht mal so unromantisch, oder?
Mehr Zeit für eigene Interessen
Alles zusammen machen – manche finden das toll, bei vielen löst es einen Fluchtreflex aus, wenn der Partner die Erwartung hat, dass man alles teilen muss: die Freunde, die Hobbys, die Freizeit. Bei getrennten Wohnungen bleibt automatisch mehr Zeit für eigene Interessen. Man verbringt das Wochenende gemeinsam, sieht sich vielleicht an ein, zwei Abenden die Woche. Der Rest bleibt zur freien Gestaltung. Und gerade wenn sich Vorlieben weniger stark decken, kann das Entspannung in eine Beziehung bringen. Er geht mit Freunden ins Kino, sie geht zum Sport – was bei Paaren, die zusammenleben, zu Unstimmigkeiten führen kann, ist für Getrenntlebende schlichtweg der Normalzustand.
Weniger Streit wegen Kleinigkeiten
Wer erledigt den Abwasch? Ist es wirklich so schwer, dreckige Hemden in den Wäschekorb zu schmeissen? Und warum steht schon wieder eine leere Milchpackung im Kühlschrank? Niemand hat behauptet, dass das Zusammenleben einfach wird. Oft sind es die kleinen Dinge, die in der Masse zum grossen Problem werden. Nicht selten fallen uns beim Partner auch plötzlich bislang unbekannte Marotten auf, die uns zur Weissglut treiben können. Bei mehr räumlicher Distanz kann man diese Ärgernisse elegant ausblenden.
Mehr eigener Rhythmus
Der eine ist Langschläfer, die andere Frühaufsteherin. Er schaut sich noch bis spät nach Mitternacht seine Lieblingsserie an, sie geht nach dem Tatort direkt ins Bett. Sie möchte am liebsten um Punkt 18 Uhr etwas Leichtes essen, er kocht stundenlang an einem Festmahl, das die Hose platzen lässt. Vielleicht einigt man sich der Liebe wegen auf einen Kompromiss, der beide nicht wirklich glücklich macht – oder man schafft es nie ganz, sich aufeinander einzupendeln. Wer sich für ein separates Zuhause entscheidet, muss sich nicht an den Bedürfnissen des anderen orientieren.
Mehr Spass im Bett
Eine Umfrage vom Londoner University College ergab, dass Frauen nach dem Zusammenziehen weniger Lust auf Sex haben. Der mögliche Grund: Sie fühlen sich weniger umworben. Körperliche Nähe verkommt zur Selbstverständlichkeit. Bei getrennt lebenden Paaren hat die Beziehung eher einen Dating-Charakter. Man brezelt sich auf, freut sich aufeinander – da lodert das Feuer länger.
Vertrauen ist Grundvoraussetzung für getrenntes Wohnen
Ihr seid überzeugt? Nun, so einfach ist es dann doch nicht. Denn getrennte Wohnung haben auch gewisse Nachteile. So mögen Paare, die sich für dieses Lebensmodell entscheiden, im Durchschnitt vielleicht glücklicher sein, sie trennen sich laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aber auch schneller. Schliesslich ist es viel einfacher eine Beziehung zu beenden, wenn man dabei keinen gemeinsamen Haushalt auflösen muss. Und: Vertrauen ist für erfolgreiches «living apart together» Grundvoraussetzung Nummer eins. Wenn es ohnehin schon kriselt, ist ein Auszug vielleicht eher der Anfang vom Ende als die Chance auf einen Neustart.
Abgesehen davon schweisst es zusammen, wenn man gemeinsam die kleinen Hürden des Alltags meistert und Konflikte löst. Wer mit seinem Partner nicht zusammenwohnt, wird nie all seine – vielleicht zum Teil auch nervigen – Seiten kennenlernen. Und irgendwie lieben wir unsere Liebsten doch gerade für ihre Unperfektheiten.