Wisst ihr noch, wann euch das letzte Mal jemand spontan auf die Schulter geklopft hat? Ihr den Händedruck einer anderen Person gespürt habt? Umarmt worden seid? Falls ihr nicht spontan antworten könnt, kein Problem: Ihr seid damit nicht alleine. Berührungen haben sich in Zeiten von Corona von etwas Alltäglichem zu etwas Rarem gewandelt. Überall und ständig wird Abstand gepredigt: Beim Bäcker, im Tram, vor dem Imbissstand. Das hat natürlich seine Berechtigung. Noch immer ist Distanz zu unseren Mitmenschen das beste Mittel, um die Übertragung des neuartigen Coronavirus zu stoppen.
Wir brauchen Berührungen
Nur: Wir Menschen brauchen Berührungen. Das war schon vor der Pandemie der Fall. «Darüber zu sprechen, ist aber noch immer schwierig», sagt Cornelia Caviglia, Physiotherapeutin und Expertin für Berührung. Eigentlich komisch, denn beim Gynäkologen oder der Gynäkologin geben wir sogar Auskunft über unser Sexleben. Die Physiotherapeutin befasst sich seit Längerem mit dem Thema Berührungen. «Momentan leiden vor allem die Menschen, die grundsätzlich wenig berührt werden.» Cornelia Caviglia spricht damit die Lage in den Altersheimen an. Kein Enkel, der einem die Hand tätschelt. Keine Freundin, die einen in die Arme schliesst.
Die konkreten körperlichen Auswirkungen von Berührungsmangel sind nur schwer zu erfassen und aussagekräftige wissenschaftliche Daten fehlen. Man weiss aber zum Beispiel, dass Säuglinge, die nur gefüttert aber nicht gehalten und gestreichelt werden, sterben können. «Sicher ist, dass uns Körperkontakt guttut. Wir schütten dann beispielsweise Oxytocin aus, das sogenannte Kuschelhormon. Oxyticin senkt unter anderem den Blutdruck und wirkt angstlösend», erklärt Cornelia Caviglia.
Wer ist mein «Knuffelcontact»?
Da liegt also eigentlich nichts näher, als dafür zu sorgen, dass man so schnell wie möglich zu Berührungen kommt. Aber wie soll das in Pandemie-Zeiten gehen? «Ich kenne Leute, die sich regelrecht isolieren und aus Angst vor einer Ansteckung niemanden treffen», sagt Cornelia Caviglia. Dabei sei das alles andere als gesundheitsfördernd. «Leider gibt es zu diesem Thema keine offiziellen Leitlinien des Bundes.» In Belgien und den Niederlanden heisst es zum Beispiel, dass jede*r sich einen «Knuffelcontact» zulegen dürfe. Wichtig ist, dass man sich auf einen engen Kreis an Kontakten beschränkt.
Hat man einen «Kuschelkontakt» gefunden, gilt es richtig zu kommunizieren. Das kann am Anfang etwas komisch sein. Cornelia Caviglias Tipp für einen guten Einstieg ins Gespräch: «Ich vermisse Schulterklopfen und Händeschütteln (oder was auch immer), wie geht es Dir damit?» Habe man sich gefunden, helfe etwas Struktur, sagt die Physiotherapeutin und verrät auf ihrem Blog, wie diese aussehen könnte:
- Schulter- und Rücken abklopfen
Das «weckt» die Tastsensoren und hilft so, die Muskeln zu entspannen. Dazu steht eine Person mit dem Rücken zur anderen und die aktive Person klopft mit der flachen Hand, mit der Handkante oder mit der Unterseite der Faust sanft die Schultern und den Rücken der anderen Person ab.
- Handmassage
Ihr sitzt Euch gegenüber und massiert Euch gegenseitig die Hände. Ihr wechselt dabei die Rollen, so dass einmal die Person, die massiert wird, komplett passiv ist, und die Person, die massiert, versucht anhand von Körpersprache, Spannung und Gesichtsausdruck zu erkennen, was die passive Person mag. In der nächsten Runde gibt die Person, die massiert wird, ganz genaue Anweisungen und die ausführende Person versucht, diesen Anweisungen möglichst genau und ohne eigene Inputs zu folgen. Es gibt also insgesamt vier Handmassagen mit jeweils anderen Rollenverteilungen.
- Rückenmassage
Die allermeisten finden das im Liegen am bequemsten, gut geht das z.B. am Boden auf einem weichen Teppich oder einer Decke. Wer nicht so gern auf dem Bauch liegt, kann auch im Sitzen Kopf und Oberkörper auf einem Tisch ablegen. Bei einer Rückenmassage kann sanft mit der flachen Hand über den ganzen Rücken gestrichen werden, man kann den Rücken abklopfen oder einzelne Muskeln richtig kneten. Wer möchte, kann eine der unzähligen Massageanleitungen aus dem Internet zur Hand nehmen und Schritt für Schritt vorgehen. Eine Anleitung dazu findet, ihr hier >
- Streicheleinheiten
Ihr braucht dazu eine dünne Decke und irgendwas, wo man bequem flach liegen kann. Für die Streicheleinheiten liegt die eine Person in bequemer Kleidung auf dem Bauch oder Rücken unter der Decke, die andere Person streicht langsam 30 Minuten lang mit der flachen Hand über den ganzen Körper. Vom Kopf über die Arme, und vom Kopf über den Rücken bis zu den Beinen. In Rückenlage werden Brüste und Schritt ausgelassen, und manche Menschen sind in der Leistengegend so kitzlig, dass es besser geht, wenn man einfach seitlich am Bein entlang streicht. Danach schwebt man auf Wolke sieben.
Bei allen 4 Punkten gilt: Vor dem Beginn immer klare Regeln definieren. Das heisst zum Beispiel abzusprechen, welche Körperteile berührt werden dürfen und dass man sich melden muss, wen einem unwohl ist. Danach gibt es nur noch eine Vorschrift: Geniessen!