Um Adele als Sängerin ist es seit ihrem letzten Album etwas ruhiger geworden (sie arbeitet gerade an neuen Songs, das braucht etwas Zeit) – die Welt diskutiert dafür über ihren neuen Körper. Adele hat abgenommen. Ziemlich viel, angeblich 45 Kilogramm. Als erste heimlich aufgenommene Schnappschüsse einer erschlankten Adele am Strand auftauchten, war die Welt in Aufruhr – und plötzlich hatten alle eine Meinung, diskutierten fleissig über einen Frauenkörper, der sie eigentlich nichts angeht.
Adele schwieg. Bis jetzt. Am Wochenende hostete die britische Sängerin erstmals die US-Sendung «Saturday Night Life». Ihr erster offizieller und öffentlicher Auftritt mit schlanker Figur. Sie hätte auch einfach nichts zu ihrem Körper sagen müssen.
Sie wählte einen anderen Weg – und riss Witze. Im Opening Monolog sagte sie: «Ich weiss, ich sehe anders aus, seid ihr mich das letzte Mal gesehen habt. Aber wegen der Covid-Massnahmen und den Reiseeinschränkungen musste ich leichter reisen. Ich konnte nur die Hälfte von mir mitbringen und das ist die Hälfte, für die ich mich entschieden habe.»
Und plötzlich hat Adele wieder die Kontrolle. Immerhin wurden ihr in den letzten Monaten ungefragt allerhand Vorwürfe um die Ohren geblasen: Sie habe eine Essstörung, habe die Body-Positivity-Bewegung, als deren Ikone sie lange Zeit galt, verraten und ihre «Crash-Diät» mache sie krank. Dabei heisst doch Body-Positivity, dass jeder gesunde Körper tiptop in Ordnung ist – ob dicker oder dünner ist dabei egal. Jeder entscheidet selbst.
Das deutet auch Adele in ihrer Opening-Speech an: Sie hat sich für diese Hälfte entschieden. Die Pfunde soll sie mit viel Sport und der Sirtfood-Diät verloren haben. 2019 habe sie einen Fitness-Coach engagiert, mit dem Ziel «gesünder» zu werden. Nachdem sich Adele allerhand zu ihrem Gewichtsverlust anhören musste, eilte ihr Coach zu ihrer Verteidigung herbei: «Als wir anfingen ging es nie darum, dass Adele superdünn werden möchte. Sie wollte für sich und ihre Familie gesünder werden. Sie hat das nicht gemacht, dass ihr euch schlecht fühlt. Bei dieser Transformation geht es um sie – und nicht um mich oder dich.»
Gesund hiess, dass Adele sich von Fertigprodukten und Süssgetränken verabschiedet hat. Die Sirtfood-Diät ist übrigens umstritten. Immerhin startet das Diätprogramm mit maximal 1000 «erlaubten» Kalorien am Tag, was weit unter dem durchschnittlichen Kalorienverbrauch eines Menschen liegt. Der Fokus liegt auf Lebensmitteln, die besonders viele Sirtuine – das sind Enzyme, die die Zellgesundheit regulieren – enthalten sollen. Laut einer 2013 in der «Annual Review of Physology» publizierten Studie, sollen Sirtuine den Metabolismus ankurbeln, Anti-Aging-Effekte fördern und Entzündungen reduzieren. Äpfel, Blaubeeren oder gutes Olivenöl sollen viele Sirtuine enthalten.
Wenn Adele allerdings über ihre Diät spricht, klingt das gleich viel entspannter. Sie habe einfach versucht, gesünder zu essen, weniger Zucker aufzunehmen und habe Sport gemacht. Ein Klassiker im Prinzip. Kein Problem, eigentlich. Wäre da nicht die kleine Sache mit dem berühmt sein.
Denn sie widersetzte sich dem traditionellen 90-60-90-Schema. Viele Fans feierten und liebten sie dafür, sahen sie als Vorreiterin der Body-Positivity-Bewegung. Doch hat Adele damit das Recht verloren, eigene Entscheidungen über ihren Körper zu treffen? Nein, hat sie nicht. Und deshalb haben wir alle noch viel Arbeit vor uns. Egal ob jemand zu- oder abnimmt – es ist eine private und persönliche Entscheidung. Wir müssen nicht immer eine Meinung zu jedem Körper haben.