Darmkrebs ist eine der häufigsten Tumorerkrankungen, von der sowohl Männer als auch Frauen betroffen sein können. Vorsorge ist daher enorm wichtig. Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann, Autorin von «Gesund mit Darm» (Südwest), spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news über die Ursachen, erste Anzeichen einer Erkrankung und Massnahmen zur Vorbeugung.
Was können erste Anzeichen für Darmkrebs sein?
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann: Darmkrebs bleibt meist lange unbemerkt. Beschwerden treten manchmal erst auf, wenn der Tumor eine gewisse Grösse erreicht hat. Dann kann es zu veränderten Stuhlgangsgewohnheiten oder einem Wechsel aus Durchfall und Verstopfung kommen. Auch Blut im Stuhl, Bauchschmerzen oder Blutarmut können Warnzeichen sein. Das alles sind aber eher unspezifische Symptome, die auch andere Ursachen haben können. Wenn diese Beschwerden auftreten, ist das zunächst kein Grund zur Panik, sie sollten aber zeitnah abgeklärt werden. Darmkrebs entwickelt sich sehr häufig aus zunächst gutartigen Polypen, also Schleimhautwucherungen, die nach und nach entarten. Manchmal machen schon diese noch eher harmlosen Polypen Beschwerden und führen zum Beispiel zu Blut im Stuhl. Auf der anderen Seite gibt es auch Fälle von Darmkrebs, die lange wenige bis keine Beschwerden verursachen. Deshalb ist die regelmässige Vorsorge so enorm wichtig.
Was sind die häufigsten Ursachen für Darmkrebs?
Es gibt sowohl genetische Faktoren als auch Lebensstilfaktoren. Wenn es in der Familie mehrere Fälle von Darmkrebs gibt, sollte man selbst sehr viel Wert auf eine regelmässige Vorsorge legen. Auch Darmpolypen bei nahen Verwandten, die schon vor deren 50. Lebensjahr aufgetreten sind, sollten zu einer häufigeren Vorsorge führen. Daneben sind Lebensstilfaktoren sehr wichtig. Eine ballaststoffarme, fettreiche Ernährung mit viel Fleisch, vor allem rotem Fleisch und verarbeiteten Wurstwaren, erhöht nachweislich das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Auch Alkohol, Nikotin, Übergewicht und Bewegungsmangel gelten als Risikofaktoren.
Wie kann man einer Erkrankung effektiv vorbeugen?
Schützend scheint eine Ernährung zu sein, die auf pflanzlichen Lebensmitteln basiert und einen hohen Ballaststoffgehalt besitzt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) empfiehlt täglich 30 Gramm Ballaststoffe, im Schnitt nehmen wir 10 Gramm zu wenig auf - hier gibt es also Möglichkeiten, etwas aktiv zu tun. Studien weisen noch auf eine interessante Möglichkeit hin, das Risiko für Darmkrebs zu senken und die Prognose bei bereits Betroffenen zu verbessern: Kaffee! Wer regelmässig Kaffee trinkt, erkrankt nachweislich deutlich seltener an Darmkrebs als Personen, die darauf verzichten.
Eine aktuelle Studie hat zudem gezeigt: Kaffee ist auch wichtig für alle, die schon erkrankt sind. Je mehr Tassen pro Tag, desto besser fällt die Prognose im Vergleich zu Kaffeeabstinenzlern aus. Wichtig zudem zur Darmkrebsprophylaxe: gute Mundpflege. Studien haben gezeigt, dass das Bakterium Fusobacterium nucleatum, das Parodontitis verursacht, auch eine Rolle bei Darmkrebs spielt. Im Tumorgewebe ist es fast 80 Mal häufiger nachweisbar als in gesunden Darmgeweben. Das Bakterium schützt – so das Ergebnis der Studien – die Krebszellen vor dem programmierten Zelltod und vor der Wirkung einiger Chemotherapien. Es lässt sich also zusammenfassen: nicht rauchen, viel bewegen, wenig Fleisch und Wurst essen, stattdessen zu Pflanzenkost greifen und Übergewicht vermeiden. Ausserdem sollte man in seine Vorsorgeüberlegungen einen Zahnarztbesuch einplanen und eine mögliche Parodontitis abklären und behandeln lassen. Damit lässt sich möglicherweise das Risiko für Darmkrebs senken.
Inwiefern hat das heutige Lebensmittelangebot einen Einfluss?
Unser Lebensstil und vor allem unsere Ernährung spielen eine grosse Rolle. Wir bevorzugen stark verarbeitete, ballaststoffarme Nahrungsmittel und nehmen sehr viele Lebensmittelzusatzstoffe auf. Der Fleischkonsum ist nach wie vor hoch. Wir kochen seltener und greifen öfter zu Fast-Food und Fertiggerichten.
Wie kann man die Erkrankung frühzeitig erkennen?
Empfohlen wird die Darmkrebsvorsorge ab dem 50. Lebensjahr. Dazu wird meistens ein Test auf verstecktes Blut im Stuhl angewendet. Männer haben zudem ab dem 50. Lebensjahr und Frauen ab dem 55. Lebensjahr Anspruch auf Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren. Unabhängig von den empfohlenen Vorsorgemassnahmen sollte jeder darauf achten, ob zum Beispiel Blutauflagerungen auf dem Stuhl sind oder ob Beschwerden bestehen, die auf Darmkrebs hinweisen können. Wichtig ist es, dann auch den Mut zu haben und zum Arzt zu gehen. Oft kann dann Entwarnung gegeben werden oder es können noch gutartige Polypen entfernt werden, die in ein oder zwei Jahren zu Darmkrebs geführt hätten. Auch wenn man Angst vor so einer Abklärung unklarer Beschwerden hat, sind sie doch eine grosse Chance, einem Tumor vorzubeugen oder ihn in einem sehr frühen und dann auch heilbaren Stadium zu erkennen. Diese Chance sollte niemand verstreichen lassen.
Gehört Darmkrebs zu den gefährlicheren Krebserkrankungen?
Da sich Darmkrebs meistens relativ langsam aus gutartigen Darmpolypen entwickelt, gibt es oft ein grösseres Zeitfenster, die Polypen zu entfernen, bevor sie bösartig werden oder den Tumor in einem frühen und dann oft heilbaren Stadium zu entdecken. Eine regelmässige Vorsorge senkt deshalb das Risiko. Dennoch kann natürlich ein weit fortgeschrittener Tumor gefährlich sein und auch tödlich enden. Allerdings gibt es aktuell neue und hoffnungsvolle Medikamente, die die Prognose verbessern.
Wie wird Darmkrebs behandelt?
Der Tumor wird in der Regel operativ entfernt. Die weitere Therapie hängt davon ab, wie weit die Erkrankung vorangeschritten ist. Heutzutage gibt es Alternativen zur klassischen Chemotherapie. Moderne Immuntherapien sind oft nebenwirkungsärmer und ähnlich wirkungsvoll oder sogar wirkungsvoller als die klassischen Chemotherapien. Hier wird es in den kommenden Jahren sicher weitere positive Entwicklungen geben. Da der Einsatz dieser modernen Therapien von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt, muss das im Einzelfall mit den behandelnden Ärzten abgeklärt werden. Dennoch lohnt es sich, aktiv nachzufragen oder auch eine zweite Meinung einzuholen.