1. Home
  2. Body & Health
  3. Health
  4. Endometriose und Schmerz: Studie weiss den Grund
Neue Erkenntnisse

Deshalb schmerzt Endometriose so sehr

Obwohl in der Schweiz zwischen 190 000 bis 280 000 Frauen an Endometriose leiden, ist über die chronische Erkrankung noch wenig bekennt. Jetzt haben Forschende herausgefunden, was unter anderem den Schmerz aktiviert.

Artikel teilen

 Endometriose: Hände halten eine gelbe Schlaufe

Awareness Ribbon: Die gelbe Schlaufe macht auf die häufig vergessene Endometriose-Erkrankung aufmerksam. 

imago images/Panthermedia

Viele Frauen nehmen Schmerzen während der Menstruation als gegeben hin. Teils leiden sie Monat für Monat Qualen, die sie sogar daran hindern, am Alltag teilzunehmen. Das ist alles andere als normal. Ein häufiger Grund ist Endometriose. Eine chronische, entzündliche und durch Hormone gesteuerte Erkrankung, bei welcher sich Gebärmutterschleimhaut ausserhalb der Gebärmutterhöhle ansiedelt. Das sorgt nicht nur für besagten Perioden- und Unterleibsschmerz, die betroffenen Frauen können auch unter Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Unfruchtbarkeit leiden. Und obwohl schätzungsweise 10 bis 15 Prozent der Frauen im gebärfähigem Alter betroffen sind, ist über die Entstehung und Schmerzreaktion wenig bekannt.

Endocannabinoide spielen eine wichtige Rolle

Jetzt berichten Forschende der Uni Bern und des Inselspitals über neue Erkenntnisse zur Schmerzentstehung bei Endometriose. Erstmals wurde die Rolle der körpereigenen, schmerzsteuernden Endocannabinoide (kurz: ECs) näher untersucht. Eine wichtige Rolle spielt das Endocannabinoid 2-AG. Es bindet bestimmte Rezeptoren an der Nervenzellmembran und reduziert so das Schmerzempfinden. Man könnte also annehmen: Je höher die EC-Konzentration, desto weniger Schmerz. Falsch! Die Forschungsgruppe stellte genau das Gegenteil fest: Gerade bei Frauen mit starken Endometriosebeschwerden waren die Werte für ECs erhöht.

Erstautor Dr. Thomas Andrieu erläutert: «Wir haben erstmals die lokale Konzentration von ECs in der Bauchhöhle gemessen und nicht, wie frühere Autoren, lediglich die Konzentration im (peripheren) Blut. Zudem haben wir ein genaues Schmerzprotokoll geführt und haben so einwandfrei einen Zusammenhang von starken Schmerzen im Bauchbereich und hohen EC-Konzentrationen nachweisen können.»

Positive und negative Auswirkungen 

Warum das so ist, fand das Forscher*innen-Team in einem zweiten Schritt heraus. Dafür wurden die endometriosebedingten Gewebeentzündungen untersucht. Bei Patientinnen mit starken Schmerzen waren nämlich nicht nur die ECs erhöht, sondern auch die Entzündungsmarker. Die Schlussfolgerung der Forschenden: Endocannabinoid 2-AG aktivieren auch bestimmte Zellen des Immunsystems, was zu Schmerzen infolge des Entzündungsprozesses führt. ECs haben also zwei Wirkungen: Einerseits reduzieren sie den Schmerz, andererseits fördern sie ihn.

Es ist noch viel Forschung nötig

Studienleiter Prof. Michael Mueller hält dazu fest: «Es ist möglich, dass mit den ECs eine Gruppe gefunden wurde, die eines Tages von therapeutischer Bedeutung sein könnte. Wir sind hoch motiviert, das komplexe Zusammenspiel von Prozessen der Schmerzregulation der Steuerung der Entzündung noch besser zu verstehen. Es ist höchste Zeit, dass wir Endometriose einfacher diagnostizieren und behandeln können.»

Von lm am 12. Juni 2021 - 11:00 Uhr