Der glykämische Index (GI) ist ein Mass zur Bestimmung der Wirkung eines kohlenhydrathaltigen Nahrungsmittels auf den Blutzuckerspiegel. Je höher der Wert, desto mehr Zucker ist im Blut. Ganze Diäten bauen auf diesem Index auf: so die Glyx-Diät, die Logi- und die Montignac-Methode. Das Dumme an der Sache: Kohlenhydrathaltige Lebensmittel, die einen schnellen und hohen Blutzuckeranstieg auslösen, haben nicht zwangsläufig einen hohen glykämischen Index und umgekehrt. Für eine zuverlässige Aussage über die Wirkung eines Lebensmittels auf den Blutzucker ist deshalb der Blutzuckerspiegel-Verlauf massgebend – und nicht der Index.
Zudem zeigen Studien, dass der GI bei der Gewichtszunahme bzw. -abnahme eine untergeordnete Rolle spielt und zudem extrem variabel ist. Mit GI-Tabellen herumzulaufen und einzelne Nahrungsmittel damit in Gut und Böse einzuteilen, ergibt nicht nur medizinisch keinen Sinn, sondern vergällt jeden Genuss. Das gilt auch für die glykämische Last, bei der zusätzlich die Kohlenhydratdichte eines Lebensmittels berücksichtigt wird.
So hantiert man mit dem Glyx
● Lebensmittel mit einem hohen GI führen zu einem hohen oder lang anhaltenden Blutzuckerspiegel und damit zu einer hohen Ausschüttung von Insulin und zu Fetteinlagerung. So die Theorie.
● Die Umstellung auf Nahrungsmittel mit einem geringen GI und geringer glykämischer Belastung helfen Übergewichtigen demnach, Gewicht zu reduzieren.
● Die tatsächliche Blutzuckerreaktion hängt jedoch stark davon ab, welche Lebensmittel bei einer Mahlzeit zusammen gegessen werden. Dabei ist nicht etwa die Summe der GI-Werte entscheidend, sondern die vielfältigen Nahrungsmittelbestandteile und deren Wechselwirkungen.
● Es gibt grosse individuelle Schwankungen. Das gleiche Lebensmittel verursacht bei verschiedenen Personen einen ganz unterschiedlichen Anstieg. Selbst bei derselben Person lassen sich innerhalb eines Tages erhebliche Variationen feststellen. Fett und Ballaststoffe verzögern die Magenentleerung und reduzieren somit die glykämische Antwort.
● Auch die Zubereitungsart spielt für den GI eine grosse Rolle. Kochen und Zerkleinern lassen den GI ansteigen. Teigwaren, die nur wenige Minuten gekocht wurden, haben einen niedrigeren GI als solche, die eine Viertelstunde gegart wurden.
● Wissenschaftlich ist es falsch, wegen eines angeblich hohen GI von Lebensmitteln wie Kartoffeln oder Getreideprodukten abzuraten.
● Der Einfluss des GI auf den Abbau von Übergewicht ist umstritten. Wer nur auf die Indexwerte achtet, wird vergeblich darauf warten, dass die Pfunde schmelzen.
● So haben Fett und Fleisch einen tiefen Wert und dürften somit bedenkenlos gegessen werden. Dagegen sollte man auf Kürbis und Rüebli verzichten, weil sie einen hohen GI haben. Allerdings müsste man kiloweise davon essen, damit sie den Blutzucker markant beeinflussen würden.
● Die mit den Lebensmitteln aufgenommene Kalorienmenge wird beim GI-Konzept sträflich vernachlässigt.
● Es ist ganz einfach, dem Hype um den glykämischen Index aus dem Weg zu gehen: verarbeitete Lebensmittel möglichst meiden, auf naturbelassene setzen und den Kohlenhydratanteil in der Nahrung ganz grundsätzlich senken.
Fazit
Der glykämische Index ist schlicht nicht alltagstauglich. Die Werte stimmen nicht mehr, sobald man die Nahrungsmittel nicht einzeln, sondern im Rahmen einer Mahlzeit isst. Am besten vermeidet man einen schnellen Anstieg des Blutzuckers durch eine gemüse- und eiweissbetonte, kohlenhydratarme Ernährung, also mit der mediterranen Kost. So liegt man automatisch richtig, ohne dass die GI-Werte explizit dokumentiert werden müssen. Wenn Kohlenhydrate, dann komplexe und in der Vollkornvariante. Wenn Pasta, dann al dente. Ganze Kartoffeln statt Kartoffelstock. Lieber ein Apfel statt Apfelsaft.