Es klingt so logisch, so vielversprechend und so simpel. Alles, was man braucht, ist ein kleines Stäbchen. Damit macht man einen Abstrich im Mund oder man spuckt ganz einfach in ein Röhrchen. Die Probe schickt man dann ins Labor und siehe da: Kurze Zeit später ist die Erbsubstanz (DNA) entschlüsselt. Sie legt offen, was man essen sollte und welchen Sport man machen muss, um überschüssige Kilos endlich loszuwerden.
Das versprechen zumindest die Anbieter. Aber funktioniert genbasierte Ernährung wirklich? Guy Vergères, Leiter der Forschungsgruppe Funktionelle Ernährungsbiologie bei Agroscope, ist kritisch: «Bei solchen Tests werden oft nur wenige oder sogar einzelne Gene analysiert. Das Körpergewicht wird aber von mehr als hundert Genen beeinflusst», sagt er.
Wirkung ist nicht bewiesen
Einige dieser Gene wurden bereits wissenschaftlich untersucht. Viele sind aber noch ein Rätsel. Insbesondere die Mechanismen, also wie sich die Informationen im Erbgut auf das Gewicht auswirken, sind oft noch unklar. In einem Punkt herrscht jedoch Gewissheit: Die Gene spielen beim Körpergewicht eine grosse Rolle. Sie sind so etwas wie der Bauplan. Sie bestimmen – je nach Erscheinung und Ausprägung – ob man eher zu Übergewicht neigt oder nicht.
Doch gute Forschungsresultate alleine reichen nicht, so der Wissenschaftler. «Die Gültigkeit und der Nutzen der Erkenntnisse müssen in einem nächsten Schritt medizinisch getestet werden. Es gilt schlussendlich herauszufinden, ob und unter welchen Umständen eine DNA-basierte Ernährung tatsächlich hilft, Gewicht zu verlieren.» Studien dazu gibt es heute (noch) zu wenige. Und diejenigen, die es gibt, müsste man wiederholen und auf mehrere Personen ausweiten. «Aus wissenschaftlicher Sicht sind DNA-Diäten sehr spannend. Wir sind heute aber noch nicht so weit, verlässliche Tests auf diesem Gebiet anzubieten.»
Die Gene sind nicht alles
Eine Untersuchung gibt es jedoch bereits, die den Gewichtsverlust in zwei unabhängigen Studien nachweisen konnte. Erforscht wurde, ob Teilnehmende mit zwei unterschiedlichen Varianten eines Gens anders auf Diäten reagieren. Und tatsächlich: Nach sechs Monaten hatte eine Gruppe fünf bis sechs Kilos verloren. Die zweite mit der anderen Genvariante hingegen nur vier bis fünf. Die Differenz: ein Kilogramm.
Die Studie lässt vermuten, dass eine genbasierte Ernährung wirklich unterstützend sein kann. «Am Ende ist der Effekt aber klein, wie das eine Kilogramm Unterschied zeigt. Da muss man sich fragen, ob sich der Aufwand lohnt», so Vergères. Viele Diäten scheitern zudem auch im Kopf. Daher ist der Wille meist wichtiger als die Diätform. Auch darf man sich nicht auf einer DNA-Analyse ausruhen. Denn es gibt viele andere Faktoren, die das Gewicht beeinflussen, wie zum Beispiel der Lebensstil oder hormonelle Störungen.
Rechtliche Grauzone
Trotzdem schwören viele Firmen und Einzelanbieter auf ihre Gentests. Sie versprechen präzise DNA-Analysen mit denen sich ein individueller, erfolgsversprechender Diätplan erstellen lässt. Wie das allerdings genau funktioniert, wird oft verschwiegen: «Meist wird nicht offengelegt, wie die genbasierte Ernährungsempfehlung zustande kommt. Heutige Gentests sind daher mit Vorsicht zu nutzen.»
Viele Anbieter bewegen sich zudem rechtlich in einer Grauzone. Denn die Daten solcher Tests enthalten oft sensible Informationen über die Gesundheit einer Person. «So kann sich zum Beispiel herausstellen, dass jemand mit einer bestimmten Genvariante nicht nur ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, sondern auch für Diabetes hat», erklärt Guy Vergères. Da stellt sich die Frage: Soll, beziehungsweise darf ein Nicht-Mediziner diese Information an die Kundschaft weitergeben?
Keine einfache Frage. In Zukunft soll das rechtlich geregelt werden. Dafür wird voraussichtlich schon 2022 das neue Schweizer Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen in Kraft gesetzt. Dann dürften medizinische Informationen im Zusammenhang mit Gentests nur von Ärzt*innen weitergegeben werden. Gentests für Lifestyle-Zwecke wie etwa Ernährungsberatungen ohne Bekanntgabe medizinischer Informationen wären jedoch weiterhin möglich.